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Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Titel: Der Fluch des Verächters - Covenant 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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ihnen das Gewicht der Sterblichkeit abhanden gekommen. Auf Mhorams Wangen schimmerten orangerot verfärbte Tränen, aber seine Schultern blieben fest, vom Schluchzen ungeschüttelt, um seine Eltern zu halten. Covenants Verstand war wie von Wolken getrübt. Er schien durch Nebel zu wandern, der Wind schien ihm die Worte von den Lippen zu reißen. »Wollt ihr etwa sagen, daß wir ... daß ich ... wir ... für zwei Leichen ...?« Man sah Mhoram nicht an, ob er ihn gehört hatte. Doch über Prothalls Miene glitt wie eine Zuckung ein finsterer Ausdruck, und sofort trat Quaan an die Seite des Zweiflers und packte ihn am Ellbogen. »Wenn du noch ein Wort sprichst«, flüsterte er, »breche ich dir den Arm.«
    »Faß mich nicht an!« erwiderte Covenant. Aber seine Stimme klang kraftlos. Er fügte sich; sein Verstand trieb durch Nebelschwaden. Ringsum bezog das Aufgebot Aufstellung zu einem Ritual. Hoch-Lord Prothall reichte seinen Stab einem Krieger, bemächtigte sich der Stäbe der beiden Toten und legte sie über die Arme wie eine Opfergabe. Mhoram kehrte sich dem Baum und dessen Flammen zu, Variol und Tamarantha aufrecht in seinen Armen. Ein schmerzliches Beben schien das Schweigen zu durchdringen. Nach einem ausgedehnten Moment begann er zu singen. Sein karges Lied seufzte wie ein Fluß, und er sang kaum lauter als das Strömen der Fluten zwischen ruhigen Ufern:
     
    »Tod erntet die Schönheit der Welt,
    bündelt alte Frucht, daß neue sprieße.
    Sei still, Herz:
    bewahre Frieden.
    Gedeihen ist besser als Verfallen:
    ich höre die Klänge, die Leben von Leben trennt.
    Sei still, Friede:
    bewahre Herz.
    Tod zieht vorüber ...
    das ist des Lebens Machart und der Zeit zum Leben.
    Hasse Sterben und Töten, nicht den Tod.
    Sei still, Herz:
    führ keine Klage.
    Bewahre Frieden und Gram
    und sei still.«
     
    Als er verstummte, sackten seine Schultern ein, als sei er dazu außerstande, die Bürde zu tragen, ohne den Toten wenigstens ein einziges Schluchzen zu widmen. »O Schöpfer«, rief er mit von Trostlosigkeit gezeichneter Stimme. »Wie vermag ich sie nur zu ehren? Mein Herz ist schwer geprüft, und das Werk, welches mir aufgetragen ist, nimmt mich zur Gänze in Anspruch. Doch ich muß sie ehren ... denn sie haben dir Ehre gemacht.« Am Rande des Helligkeitskreises stieß der Ranyhyn Hynaril einen Schrei des Kummers aus. Die große rötliche Stute bäumte sich empor, trat mit den Vorderbeinen in die Luft, wirbelte dann herum und galoppierte ostwärts davon. Wieder erklang leise Mhorams Stimme:
     
    »Sei still, Herz:
    führ keine Klage.
    Bewahre Frieden und Gram
    und sei still.«
     
    Sachte streckte er Variol im Gras aus und hob Tamarantha auf beide Arme. Mit dem rauhen Ausruf »Heil!« schob er sie in die Kluft des gespaltenen Baumstamms. Und ehe die Flamme ihre vom Alter geschrumpfte Haut schwärzen konnten, hob er Variol aus dem Gras und bettete ihn mit einem nochmaligen »Heil!« neben sie. Für einige Sekunden war noch ihr gemeinsames Lächeln zu sehen, ehe das Lodern es verhüllte. So ruhten sie beieinander, während Feuer sie verzehrte. Schau dahin , greinte Covenant innerlich. Der Bluthüter ist auch umgekommen. Ach, Mhoram! In seiner Verwirrung konnte er zwischen Trauer und Zorn nicht unterscheiden.
    Mit inzwischen wieder trockenen Augen drehte sich Mhoram zum Aufgebot um, und sein Blick schien sich auf Covenant zu heften. »Meine Freunde«, sagte er im Tonfall des Trostes, »still seien eure Herzen. In eurem Gram bewahrt Frieden. Variol und Tamarantha sind von uns gegangen. Wer hätte es ihnen verwehren können? Sie kannten den Zeitpunkt ihres Todes. Sie ersahen den nahen Abschied aus der Asche von Holzheim Hocherhaben. Es beglückte sie, uns mit ihrem letzten Schlummer dienen zu können. Sie entschieden, den Angriff auf sich zu lenken, auf daß wir leben dürften. Wer wollte sagen, es war keine große Herausforderung, der sie sich stellten? Gedenkt des Friedensschwurs und bewahrt Frieden.«
    Gemeinsam vollführte das Fähnlein einen Salut zum Abschied, breitete die Arme aus, als entblöße es den Toten die Herzen. »Heil!« rief danach Quaan; dann führte er seine Krieger zurück an die Arbeit, das Begraben der Holzheimer und Aufstapeln toter Höhlenschrate.
    »Hier ist Lord Variols Stab«, sagte Hoch-Lord Prothall zu Mhoram, als das Fähnlein abgetreten war. »Vom Vater geht er über an den Sohn. Nimm ihn. Wenn wir diesen Zug überleben und wieder eine Zeit des Friedens anbricht, dann meistere ihn. Einst war

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