Der Fluch des Verächters - Covenant 01
wiederholte Covenant in vagem Unglauben.
»Wir sind glücklich davongekommen.« Ein Anflug von Ärger erfaßte Prothalls Stimme. »Bedenke, wir hätten allesamt getötet werden können. Bedenke, daß der Überfall während des Vollmondes stattfand. Berücksichtige, daß Seibrich, derweil er sich hier mit uns beschäftigt, seine Verteidigung am Donnerberg vernachlässigt. Wir haben bezahlt ...« Seine Stimme rasselte, versagte für einen Moment. »Aber wenig, bedenkt man, daß wir das Leben und unsere Hoffnungen bewahren konnten.«
Zunächst antwortete Covenant nicht. Bilder der Gewalt verursachten ihm einen Schwindelanfall. Alle Holzheimer tot ... Höhlenschrate ... Urböse ... der weibliche Krieger, der ihn schützen wollte. Er kannte nicht einmal den Namen. Schaumfolger hatte getötet ... er selbst hatte fünf ... fünf ... Er bebte, aber er mußte irgend etwas sagen, sich rechtfertigen. Ihm war schlecht vor Entsetzen. »Schaumfolger hat recht«, krächzte er heiser. »Das war Fouls Maßarbeit.« Anscheinend hörte ihn niemand. Die Bluthüter gingen zu den Ranyhyn und führten jenen ihres gefallenen Kameraden zum Feuer. Behutsam hoben sie den Toten auf den Rücken und befestigten ihn darauf mit Clingor -Streifen. Gemeinsam entboten sie einen stummen Salut, und der Ranyhyn galoppierte davon, trug seinen toten Reiter zu den Westlandbergen und zum Hüterstieg – heimwärts.
»Foul hat das ganze Ding gedreht.« Sobald der Ranyhyn in der Nacht verschwunden war, machten sich einige Bluthüter daran, die Verletzungen der übrigen Ranyhyn zu behandeln, während sich andere von neuem auf Posten begaben. Mittlerweile kümmerten die Krieger sich um die niedergestreckten Höhlenschrate, suchten zwischen den Toten die Lebenden. Alle, die keine tödlichen Verwundungen erlitten hatten, stellte man auf die Beine und vertrieb sie vom Lagerplatz. Den Rest stapelte man nördlich von der Baumruine zur Verbrennung auf. »Das bedeutet zweierlei.« Covenant bemühte sich, den kläglichen Tonfall aus seiner Stimme zu verdrängen. »Es ist das gleiche, was er mit mir anstellt. Er erteilt uns eine Lektion. Es ist das gleiche wie das, was mit Llaura geschah. Foul läßt uns merken, was er treibt, weil er sicher ist, daß es uns nichts nutzen wird, es zu wissen. Er will sich an soviel Verzweiflung weiden, wie er bloß aus uns rauspressen kann.« Prothall ließ mit Hilfe zweier Krieger Llaura und Pietten aus ihrer Grube holen. Llaura wirkte erschöpft bis zum äußersten; der kleine Pietten strich mit den Händen über das von Blut genäßte Gras und leckte sich anschließend die Finger. Covenant stöhnte und wandte sich ab. »Die zweite Sache ist, daß Foul uns voll auf Seibrich hetzen möchte. Ob wir dabei sterben oder nicht. Er hat Seibrich zu diesem Überfall verleitet, um seine sonstige Abwehr zu schwächen. Foul muß also wissen, was wir tun, auch wenn Seibrich davon keine Ahnung hat.« Die gelegentlich entfernten Schreie beunruhigten Prothall allem Anschein nach, wogegen Mhoram sie nicht beachtete. Während der Rest des Aufgebots seinen verschiedenen Aufgaben nachging, trat der Lord zu Variol und Tamarantha und kniete sich neben sie; er beugte sich über seine Eltern, und unter seinem rot besudelten Gewand erstarrte seine Gestalt. »Ich sage euch, das alles gehört zu Fouls Plan. Hölle und Verdammnis! Hört mir hier denn keiner zu?«
Ruckartig stand Mhoram auf und wandte sich nach Covenant um. Er erregte zuerst den Eindruck, als wolle er auf Covenants argloses Haupt einen Fluch niederschleudern. Aber aus seinen Augen strömten Tränen, und auch seine Stimme klang danach. »Sie sind tot«, sagte er. »Variol und Tamarantha, meine Eltern ... Vater und Mutter, Leib und Seele.« Jetzt erkannte Covenant die Schattierung des Todes auf ihrer alten Haut.
»Das ist unmöglich«, rief ein Krieger. »Ich habe gesehen, daß keine Waffe sie berührte. Die Bluthüter haben sie getreulich verteidigt.«
Prothall eilte herbei und untersuchte die beiden Lords. Er berührte ihre Herzgegend und die Stirn; seine Schultern sanken herab, und er seufzte: »Nichtsdestotrotz.« Variol und Tamarantha lächelten beide.
Die Krieger unterbrachen ihre Tätigkeit; stumm sah das Fähnlein über das eigene Maß an Ermüdung und Trauer hinweg, kam zusammen, um sich respektvoll vor Mhoram und seinen Toten zu verneigen. Mhoram beugte sich hinab und nahm sowohl Variol wie auch Tamarantha in seine Arme. Ihre mageren Leiber waren so leicht in seiner Umarmung, als sei
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