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Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Titel: Der Fluch des Verächters - Covenant 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Stämmen ein silberner Glanz; er verstärkte und erhellte sich, während Nacht den Forst zu erfüllen anfing, bis jeder einzelne Baum in der Finsternis wie eine verlorene Seele dastand und schimmerte. Der Silberschein war hell genug, um den Reitern ihren Weg zu zeigen. Vor den ruhelosen Mustern des Schimmers hingen die Moosschleier wie Schatten eines Abgrunds – wie schwarze Löcher zur Leere –, verliehen dem Holz ein verquollenes, lepröses Aussehen. Doch das Aufgebot drängte sich zusammen und ritt weiter, dahin durch eine Nacht, in der nur der Silberschimmer der Bäume und der rote Glanz von Covenants Ring etwas Licht spendeten.
    Covenant war zumute, als könne er die Bäume angesichts der Greulichkeit seines Eherings entsetzt tuscheln hören. Das Pulsieren des roten Glanzes war ihm selber zuwider. Feuchte Moosfinger tasteten besorgt über sein Gesicht. Er ballte die Hände über seinem Herzen zu Fäusten und versuchte, in seine Innenwelt zu fliehen, sich zurückzuziehen, womöglich einzuschrumpfen und unbeachtet voranzukommen; er ritt dahin, als trüge er unter seinem Gewand eine Axt und befürchte, die Bäume könnten sie bemerken. Der ausgedehnte Ritt verstrich wie der Schmerz einer Wunde. Akute Stiche gingen ineinander über, und schließlich befand sich das Aufgebot wieder im schummrigen Licht eines neuen Tages. Covenant erbebte, starrte umher. Was er sah, machte ihn sprachlos. Er fühlte, die Zisterne seines Zorns war voller Dunkelheit. Aber er war in den Schlingen unentwirrbarer Umstände gefangen. Diese Dunkelheit war ein Kelch, den er weder leeren noch fortschieben konnte. Und er zitterte vor Hunger. Er vermochte es sich kaum zu verkneifen, die klammen Belästigungen durch das Moos mit Faustschlägen zu vergelten. Noch immer ritt das Aufgebot durchs unablässige Dämmerlicht von Morinmoss. Die Reiter blieben schweigsam, bedrückt vom allgegenwärtigen Astwerk; und inmitten der beklommenen Stille fühlte sich Covenant so verloren, als habe er sich allein in jenem alten Wald verirrt, der einst das ganze Land bedeckte. Mit verschwommener Wut duckte er sich unterm lockerfingrigen Moos hinweg, wich ihm aus. Indem die Zeit verging, wuchs in ihm das Verlangen, laut zu schreien. Dann endlich schwang Birinair seinen Stab überm Kopf und ließ einen schwächlichen Ruf vernehmen. Die Pferde verstanden; holprig beschleunigten sie ihren Gang, um mit der kraftvollen Gangart der Ranyhyn gleichzuziehen. Für ein Weilchen schienen die Bäume zurückzuweichen, als scheuten sie den Irrsinn des Aufgebots. Dann gelangten die Reiter in hellen Sonnenschein. Sie kamen unterm mittäglichen Himmel an einen Hang, der sich gemächlich hinab bis zu einem Fluß erstreckte, der an ihm entlang und quer zur Marschrichtung der Truppe floß. Birinair und Marny hatten das Aufgebot unbeirrbar zur Wanderlust-Furt gebracht.
    Indem sie rauhkehlig ihre Erleichterung herausbrüllten, trieben die Krieger ihre Tiere mit den Fersen an, und das Aufgebot preschte in tollkühnem Galopp den Hang hinunter. Kurz darauf klatschten die Pferde in den Strom, überschütteten sich und ihre heilfrohen Reiter mit der kühlen Gischt der Wanderlust-Furt. Am Südufer ordnete Prothall einen Halt an. Die Durchquerung des Waldes von Morinmoss war geschafft.
    Sobald es rastete, mußte das Aufgebot den Zoll dieses Gewaltmarsches zur Kenntnis nehmen. Das Aussetzen der Mahlzeiten und der Nachtruhe hatte die Reiter Kräfte gekostet. In noch viel schlimmerer Verfassung waren allerdings die Pferde. Sie bebten vor Müdigkeit. Als die letzten Schritte getan waren, sackten ihnen die Hälse herab und die Rücken ein, sie brachten kaum noch genügend Kraft zum Fressen oder Saufen auf. Trotz der gewieherten Ermunterung seitens der Ranyhyn fielen zwei Mustangs des Fähnleins ins Gras und streckten sich auf ihren Flanken aus, und die anderen standen mit so wackligen Beinen herum, als seien sie Fohlen.
    »Rastet ... rastet«, sagte mit altersschwacher, aber sorgenvoller Stimme Prothall. »Heute ziehen wir nicht weiter.« Er schlenderte zwischen den Pferden einher, tätschelte sie mit seinen alten Händen und summte eine besänftigende Melodie. Nur die Ranyhyn und die Bluthüter zeigten keinerlei Anzeichen von Abnutzung. Schaumfolger senkte Pietten in Llauras Arme, dann ließ er sich rücklings ins pralle Gras sinken. Seit das Aufgebot die Überreste von Holzheim Hocherhaben zurückgelassen hatte, war er unnatürlich wortkarg gewesen; er mied das Reden, als fürchte er, seine

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