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Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Titel: Der Fluch des Verächters - Covenant 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Eine Menge Leprakranke laufen wirrköpfig in der Welt herum.«
    »Wie beurteilt man Macht?« Schaumfolger stellte die Frage mit einer Ernsthaftigkeit, die Covenant nicht erwartet hatte.
    »Was?«
    »Mir mißfällt die Art, wie du von Leprakranken sprichst. Wo bleibt der Wert von Stärke, wenn dein Feind stärker ist?«
    »Du unterstellst, daß es so etwas wie einen Feind gibt. Ich glaube, damit machst du's dir ein bißchen zu einfach. Mir wäre nichts lieber, als wenn ein Feind mir das angetan hätte, so daß ich keinen Grund besäße, irgendeinem Zufall oder mir selbst die Schuld zu geben. Aber ein Feindbild wäre für mich bloß eine andere Art von Selbstmord. Ein Abwälzen der Verantwortung, selber dafür zu sorgen, daß ich am Leben bleibe.«
    »Ach, am Leben«, erwiderte Schaumfolger. »Nein, denke weiter, Covenant. Welchen Wert besitzt Macht überhaupt, solange sie keine Macht über den Tod ist? Wenn du deine Hoffnung auf etwas von geringerer Bedeutung setzt, kann sie dich in die Irre leiten.«
    »So?«
    »Aber Macht über den Tod ist ein Trugbild. Es kann kein Leben ohne Tod geben.«
    Das mußte Covenant als Tatsache anerkennen. Aber er hatte ein solches Argument nicht vom Riesen erwartet. Es weckte in ihm das Verlangen, aus der Höhle hinaus in den Sonnenschein zu treten. »Schaumfolger«, sagte er gedämpft, indem er sich von seinem Lager erhob, »du hast dir wieder mal Gedanken gemacht.« Doch er spürte die Eindringlichkeit von Schaumfolgers Blick. »Na schön. Du hast recht. Dann verrate mir, woher, zum Teufel, nimmst du Hoffnung?«
    Bedächtig stand der Riese auf. Er türmte sich über Covenant empor, bis er fast an die Höhlendecke stieß. »Vom Glauben.«
    »Du hast zuviel mit Menschen Umgang. Du neigst zur Hast. ›Glauben‹ ist ein zu kurzes Wort. Was meinst du damit?«
    Schaumfolger suchte sich einen Weg durch die Blumenpracht. »Ich meine die Lords. Bedenke, Covenant, glauben ist eine Art zu leben. Sie haben sich vollkommen dem Dienst am Lande verschworen. Und sie haben den Friedensschwur geleistet – es sich auferlegt, das große Streben ihres Lebens nur mit bestimmten Mitteln zu verfolgen, den Tod vorzuziehen, statt sich zerstörerischer Leidenschaft zu beugen, die einst Hoch-Lord Kevin blendete und die Schändung übers Land brachte. Komm, Covenant – kannst du dir vorstellen, daß Lord Mhoram jemals verzweifelt? Das ist das Wesen des Friedensschwurs. Er wird niemals verzweifeln und nie tun, was Verzweiflung gebietet – morden, schänden, zerstören. Und er wird nie ins Schwanken geraten, weil seine Lordschaft, sein Dienst am Lande, ihn auf festen Grund stellt. Dienst ermöglicht Dienst.«
    »Das ist nicht das gleiche wie Hoffnung.« Covenant verließ mit dem Riesen Menschenheim; sie verharrten auf dem sonnigen Vorplatz. Im hellen Licht zog er den Kopf ein, und dabei bemerkte er erneut die Moosstreifen, die sein Gewand einer Landkarte ähnlich machten. Ruckartig lenkte er seinen Blick zurück in die Höhle. Man hatte das Grünzeug zwischen den Akeleien so angeordnet, daß es den Moosstreifen auf dem weißen Seidenstoff glich. Er unterdrückte ein Aufstöhnen. »Alles, was man braucht, um der Verzweiflung zu widerstehen«, sagte er, als spräche er einen Lehrsatz aus, »ist entweder unabänderliche Dummheit oder unbegrenzte Starrköpfigkeit.«
    »Nein«, widersprach Schaumfolger. »Die Lords sind doch nicht dumm. Schau nur das Land.« Weiträumig wies er mit dem Arm in die Ferne, als erwarte er, Covenant könne von seinem Standort aus das ganze Land vom einen bis zum anderen Ende überblicken. So weit reichte Covenants Blick nicht. Aber er blinzelte über das grüne Vorgelände hinaus in die Ebenen, von wo er entfernt die Bluthüter nach ihren Ranyhyn pfeifen hörte, das Wiehern, mit dem sie antworteten. Er bemerkte die fast närrische Bewunderung der Heimständigen, die aus der Höhle geströmt kamen, weil sie zu versessen auf den Anblick der Pferde waren, um drinnen zu warten, bis sich die Ranyhyn einfanden.
    »Mit anderen Worten«, sagte er nach einem Weilchen, »Hoffnung kommt von der Macht dessen, dem du dienst, nicht aus dir selbst. Verdammnis, Riese – du vergißt, wer ich bin.«
    »Wirklich?«
    »Und überhaupt, was macht dich so zuständig für die Fragen von Hoffnung? Ich sehe nichts, woran du verzweifeln müßtest.«
    »Nicht?« Die Lippen des Riesen lächelten, aber seine Augen unter den Bollwerkbrauen blickten hart drein, und die Narbe an seiner Stirn glänzte lebhaft.

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