Der Fluch des Verächters - Covenant 01
der Truppe. Die Mitglieder des Aufgebots zogen dahin, als schrien sie lautlos in Erwartung irgendeines blinden Desasters. Sie gingen immer weiter und weiter, bis Covenant lediglich daran noch erkannte, daß sie nicht schon seit Tagen unterwegs waren, daß kein Mondaufgang seinen Ring verfärbte. Nach einiger Zeit jedoch begann der weißgoldene Ring dunkelrot zu glühen wie eine Prophezeiung. Und immer noch marschierten sie weiter, nun – wie er jetzt wußte – in den Abend hinein. Sie durften sich weder Schlaf noch eine längere Rast erlauben. Der Gipfel von Seibrichs gegenwärtiger Machtfülle lag nur einen Tag entfernt. Sie folgten dem Verlauf eines Tunnels, dessen Wände einander so nahe waren, daß sie wie eine Einfassung von Birinairs flackrigem Feuer wirkten, da kehrte plötzlich Terrel von seiner Vorauserkundung zurück, huschte düster aus der Finsternis und trat zu dem alten Allholzmeister. Prothall und Mhoram, unmittelbar gefolgt von Lithe und Covenant, eilten zu Birinair. Terrels Stimme besaß einen Anklang von Dringlichkeit. »Urböse kommen näher – vielleicht fünfzig. Sie haben das Licht gesehen.«
Ein Stöhnen entfuhr Prothall; Mhoram stieß einen Fluch aus. Mähnenhüter Lithe atmete ruckartig zischend ein, rupfte sich die Kordel aus dem Haar, als stehe sie vor der Begegnung mit dem Stoff, aus dem Ramen-Alpträume bestanden. Aber bevor irgend jemand Maßnahmen veranlassen konnte, schien der greise Birinair auf einmal von innen her zu bersten wie trockenes Holz. Mit dem Aufschrei »Folgt mir!« wirbelte er rechtsum und stürmte davon in die Dunkelheit.
Sofort hasteten zwei Bluthüter ihm hinterdrein. Einen Moment lang zögerten die Lords. Dann rief Prothall »Melenkurion!« und schloß sich Birinair eilends an. Mhoram begann, Anweisungen zu rufen; die Truppe machte sich kampfbereit. Covenant eilte Birinairs Flamme nach, die davontanzte. Der Zuruf des Allholzmeisters hatte nicht nach Panik geklungen. Vielmehr riß der Ruf ›Folgt mir!‹ Covenant mit. Von hinten vernahm er gleich darauf die ersten Befehle und den Lärm eines im Ausbruch begriffenen Gefechts. Er hielt seinen Blick auf Birinairs Licht gerichtet, folgte ihm in einen niedrigen, nahezu luftleeren Tunnel. Birinair rannte wie besessen hindurch, den Bluthütern stets um ein oder zwei Schritte voraus. Plötzlich ertönte ein hitziges Geräusch, dem Fauchen eines Blitzes ähnlich; mit einemmal umhüllte ein Gewebe aus blauem Feuer den Allholzmeister. Es schillerte und waberte, versperrte den Tunnel vom Boden bis zur Decke. Es prasselte wie ein Ofen. Und Birinair hing mittendrin, die Gliedmaßen gespreizt, gefangen wie in einem Spinnennetz, aus Qual verkrümmt. Neben ihm loderte sein Stab auf und zerfiel zu Asche. Ohne zu zögern, stürzten sich die Bluthüter in das Feuer. Es warf sie zurück, als bestünde es aus nacktem Stein. Gemeinsam sprangen sie nach Birinair, versuchten ihn heraus- und vom Feuer zurückzuzerren. Aber sie waren machtlos; Birinair blieb haften, wo er hing, ein verkohltes Opfer in einem Netzwerk aus blauem Feuer. Die Bluthüter setzten soeben erneut zum Sprung an, als der Hoch-Lord das Grüppchen einholte. Er mußte schreien, um sich durch das Knistern der Energie verständlich zu machen.
»An meiner Stelle«, rief er, kreischte beinahe. »Er wird sterben! Eilt Mhoram helfen!« Er schien über den Rand zur wahnwitzigen Raserei gefallen zu sein. Seine Augen spiegelten Chaos wider. Mit ausgebreiteten Armen stürmte er vorwärts und wollte Birinair umfangen. Er prallte heftig von dem Feuerwall ab. Er stürzte und blieb für einen langen Moment mit dem Gesicht auf dem Stein liegen. Hinter dem Grüppchen entwickelte sich ein wilder Kampf. Die Urbösen hatten einen Keil gebildet, und trotz aller Unterstützung durch die Bluthüter und Krieger vermochte Mhoram kaum die Stellung zu halten. Schon der erste Ansturm des Gegners hatte die Truppe zurückgedrängt; Mhoram war mit ihr mehrere Meter weit in den Tunnel zurückgewichen, an dessen anderem Ende Birinair im Netz der blauen Flammen hing. Dort konnte er die Gegenwehr versteifen. Trotz Prothalls Geschrei und des Prasselns des Feuers in seinem Rücken hielt er sein Gesicht den Urbösen zugewandt. Mühsam raffte sich Prothall hoch. Sein Kopf wackelte auf seinem abgenutzten alten Hals. Aber sein Blick zeugte nicht länger von Unbeherrschtheit. Er ließ sich einen Moment Zeit, um sich einigermaßen zu erholen, weil er wußte, daß er ohnehin zu spät kam. Dann nahm er alle
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