Der Fluch des Verächters - Covenant 01
bestünde Seibrichs Fleisch auf einmal aus wuchtigem Eisen. Seibrich stieß einen erstickten Schrei der Wut aus und rammte den Stab des Gesetzes mit dem unteren Ende auf den Felsboden. Den Fels unter Covenants Füßen durchfuhr ein Ruck; er stolperte rückwärts, stürzte und prallte so schwer auf, daß er zuerst glaubte, sein Herz müsse dadurch stehengeblieben sein. Er lag hilflos und wie gelähmt da. »Umbringen!« hörte er Seibrich durch ein Rauschen und Pochen in seinen Ohren brüllen. »Gebt mir den Ring!«
Covenant wälzte sich herum. Schweiß brachte sein Blickfeld zum Verschwimmen; nebelhaft sah er die Höhlenschrate ihn in die Zange nehmen. Sein Herz schien in seiner Brust erstarrt zu sein, und er konnte nicht die Füße unter seinen Leib bekommen. Er schnappte nach Luft und versuchte, aus der Reichweite der Schrate zu kriechen. Der erste Schrat packte ihn am Nacken, aber plötzlich stöhnte er auf und fiel seitwärts. Ein zweiter Höhlenschrat stürzte; der Rest wich verwirrt zurück. »Bluthüter«, rief ein Schrat furchtsam. »Lord Seibrich, hilf uns!«
»Narr!« erwiderte Seibrich und hustete, als seien ihm die Lungen wurmstichig geworden. »Feigling! Ich bin Macht! Bringt sie um!«
Covenant rappelte sich hoch, wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht und sah neben sich Bannor stehen. Das Gewand hing dem Bluthüter in Fetzen von den Schultern, und ein großer Bluterguß über den Brauen verschloß ihm ein Auge. Aber seine Hände zeugten von wachsamer Kampfbereitschaft. Er wippte auf den Ballen seiner Füße, bereit zum sofortigen Sprung in jede Richtung. In seinem gewöhnlich ausdruckslosen Blick glomm ein Funke von Kampfeseifer. Covenant verspürte eine solche Aufwallung von Erleichterung, daß er Bannor am liebsten umarmt hätte. Nach seiner langwierigen Prüfung der Lichtlosigkeit fühlte er sich jetzt plötzlich gerettet, beinahe außer Gefahr. Aber der schroffe Ton seiner Stimme widersprach seinen inneren Regungen.
»Wo zum Teufel hast du so lange gesteckt?«
Langsam und zaghaft schlurften die Höhlenschrate wieder vorwärts, umstellten Covenant und Bannor. Seibrich zeterte mit heiserem Keuchen auf sie ein. Droben tanzte belustigt das Helldunkel der Stalaktiten. Mit bemerkenswerter Gleichgültigkeit erwiderte Bannor, er sei, nachdem er den Urbösen getötet habe, unglücklich aufgeprallt und habe das Bewußtsein verloren. Danach sei er dazu außerstande gewesen, Covenant in der Dunkelheit zu finden. Angefeuert durch Seibrichs eindringliches Schelten, griff ein Höhlenschrat Covenant hinterrücks an. Doch Bannor wirbelte leichtfüßig herum und fällte das Geschöpf mit einem Tritt. »Dann enthüllte mir deines Stabes Flamme deinen Verbleib«, erläuterte Bannor anschließend weiter. »Ich entschied, daß ich dir folgen müsse.« Er unterbrach sich für einen Moment, um sich zwei nahen Bedrängern in den Weg zu stellen. Sie wichen hastig zurück. Als er weiter berichtete, zeugte sein Haruchai -Tonfall von einer Art endgültiger Aufrichtigkeit. »Ich hielt mich mit meinem Beistand zurück, um den Beweis abzuwarten, daß du nicht bloß ein Köder für die Lords bist.«
Etwas von der selbstlosen und gleichmütigen Haltung Bannors zum Tod übertrug sich auf Covenant. »Da hast du dir einen schönen Zeitpunkt ausgesucht«, bemerkte er ohne Groll, »um mich zu testen.«
»Wir Bluthüter kennen Zweifel. Wir wünschen Gewißheit.«
Seibrich bot neue Kräfte zu einem wutentbrannten Geschrei auf. »Narren! Würmer! Furcht vor bloß zweien!« Er seiberte. »Geht! Schaut zu! Lord Seibrich tötet!« Die Höhlenschrate gaben ihm den Weg frei, und Seibrich kam unter Ächzen und Stöhnen herüber. Vor sich hielt er den Stab des Gesetzes wie eine Axt. Bannor sprang vor und trat nach Seibrichs Gesicht. Aber trotz seiner beeinträchtigten Verfassung war Seibrich kein Hampelmann geworden. Er schien Bannors Tritt gar nicht zu spüren. In schwerblütiger Wut hob er den Stab, um einen Schlag zu führen, der Bannor und Covenant an Ort und Stelle einäschern sollte. Gegen die Macht, die er zu ihrer Vernichtung aufzubieten vermochte, konnten sie nichts ausrichten. Trotzdem stellte sich Bannor vor Covenant, um sich dem Hieb entgegenzuwerfen. Geduckt wartete Covenant auf den Schmerz, der für ihn die Befreiung bedeutete. Aber Seibrich hatte sich zu spät zum eigenhändigen Handeln entschlossen. Er hatte seine Chance verpaßt und zugleich andere Gefahren mißachtet. Noch während er den Stab erhob, kam das Aufgebot
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