Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Titel: Der Fluch des Verächters - Covenant 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
Vom Netzwerk:
nächsten Öffnung zum freien Himmel entfernt. Ohne Hilfe, Freunde, Aussicht auf Rettung, denn für ihn war das Äußere des Berges so unerreichbar, als hätte es aufgehört zu existieren. Flucht selbst war unmöglich geworden, außer wenn ... Disziplin! ... außer er fand einen Weg zum Sterben. Hölle und Verdammung! Verdursten. Verhungern. Verletzungen ... Verbluten. Er ging die Möglichkeiten durch, als nähme er seine VBG vor. Er konnte irgendeinem im Finstern ausgebrüteten Übel zum Opfer fallen. In einen verhängnisvollen Abgrund stürzen. Im Wahnsinn sterben, ja. Alles so einfach wie Leprose. Mitternächtliche Schwingen umflatterten seine Ohren, taumelten in schwindelerregender Weise über das blinde Schwarzland dahin. Unbewußt ruckten seine Hände rund um seinen Kopf, suchten täppisch nach einer Möglichkeit zur Verteidigung. Verdammnis! Nichts von alldem geschieht wirklich. Disziplin! Eine nachgerade fötale Lust befiel ihn. Er griff danach wie nach einer Vision. Ja! Hastig veränderte er seine Position, bis er auf der Schieferhalde saß. Er klaubte an der Gürtung seines Gewandes entlang, bis er Atiarans Messer fand. Er faßte es sorgsam mit seiner Halbhand und begann sich zu rasieren. Ohne Wasser und Spiegel war er ständig nahe daran, sich die Gurgel aufzuschlitzen, und die Trockenheit seines Bartes bereitete ihm Schmerzen, als unterziehe er sein Gesicht mit dem Messer einer Korrektur. Aber dies Risiko, diese Schmerzen waren ein Teil von ihm; ihnen haftete nichts Unmögliches an. Falls er sich schnitt, mußte der Dreck auf seiner Haut eine fast sofortige Entzündung der Wunde verursachen. Die Rasur beruhigte ihn wie eine Demonstration seiner Identität. Auf diese Weise drängte er die Dunkelheit zurück, gebot ihren Klauen Einhalt.
    Als er fertig war, verwendete er seine Entschlossenheit für den Beschluß, seine Lage zu erforschen. Er wollte wissen, an was für einer Art von Örtlichkeit er sich befand. Vorsichtig und mit äußerster Behutsamkeit begann er sich auf Händen und Knien vom Hang zu entfernen. Aber noch ehe er einen Meter weit übers glatte Gestein gerutscht war, fand er einen Leichnam. Das Fleisch gab nach, als sei es noch nicht lange tot, aber der Brustkorb war kalt und schmierig, und als er seine Hand zurückzog, war sie feucht und stank nach geronnenem Blut. Er wich zurück an die Halde, erstarrte zur Bewegungslosigkeit, während seine Lungen mühsam um Atem rangen, seine Knie bebten. Der Urböse – der Urböse, der ihn angefallen hatte. Vom Sturz zerschmettert. Er wollte sich wieder in Bewegung setzen, war jedoch unfähig dazu. Der Schrecken dieser Entdeckung lähmte ihn wie das plötzliche Aufspringen bedrohlicher Türen; er fühlte sich von Gefahren umlauert, die er nicht näher bezeichnen konnte. Woher hatte das Geschöpf gewußt, daß sein Angriff ihm gelten mußte? Konnten diese Kreaturen Weißgold tatsächlich riechen? Da fing sein Ring auf einmal an zu schimmern. Der blutrote Glanz verwandelte sich in einen Reif dunklen Feuers rings um seinen Ehering, eine hochrote Fessel. Aber das Band verbreitete keine Helligkeit – erlaubte ihm nicht einmal, den Finger zu sehen, um den es hing. Es schimmerte trostlos dicht vor ihm, entblößte ihn allen Augen, die sich im Dunkeln verbergen mochten, bot zur Gegenleistung nichts als Gräßlichkeit. Er hatte nicht vergessen, was das bedeutete. Seibrichs blutiger Mond erhob sich voll übers Land. Die bloße Vorstellung ließ ihn sich an die Schieferhalde drücken.
    In seiner Kehle stak ein Gefühl des Erstickens, als füttere man ihn zwangsweise mit Entsetzen. Selbst das seiner Gewalt entglittene Pfeifen seiner Atmung schien seinen Standort für die Attacke von Krallen und Fängen zu kennzeichnen, die so unsichtbar in der Dunkelheit waren, daß er sie sich nicht vergegenwärtigen konnte. Er war allein, hilflos, ohne Hoffnung. Es sei denn, er entdeckte einen Weg, um sich die Kraft seines Rings nutzbar zu machen.
    Im selben Moment, als ihm dieser Gedanke in den Sinn kam, schrak er davor voller Abscheu zurück. Nein! Niemals! Er war ein Lepraleidender; seine Überlebensfähigkeit hing ab von vollkommener Realitätsanerkennung, vom Sichabfinden mit seiner nun zu seinem Wesen gehörigen Behinderung. Das war die Grundregel der Leprose. Nichts konnte sich für ihn so unheilvoll auswirken – nichts ihn an Körper und Geist so grausam zerstören – wie die Illusion von Macht. Macht in einem Traum. Und bevor er stürbe, müßte er so deformiert und

Weitere Kostenlose Bücher