Der Fluch des Verächters - Covenant 01
nach beiden Seiten, kreisten ihn mit plumpen Bewegungen ein. Dann drängten sie ihn, indem sie an einer Seite Platz machten und von der anderen näher rückten, in die Richtung, woher sie gekommen waren. Sobald er erkannte, daß sie ihn ohne Gewaltanwendung irgendwo hinzulotsen beabsichtigten, verlegte er sich aufs Mitmachen. Gefühlsmäßig wußte er, wohin es gehen sollte. So durchquerte er, eingewiesen durch ihre mühselige Treibertätigkeit, den Grund der Felsspalte, bis er an eine Treppe links im Stein gelangte. Sie war sehr grob angelegt, nur roh aus dem Fels gehauen, aber breit genug, um von mehreren Höhlenschraten nebeneinander begangen zu werden. Er vermochte seine Neigung zu Schwindelgefühlen zu meistern, indem er sich dicht an der Felswand hielt, weg von der Tiefe. Sie stiegen etliche Dutzend Meter weit empor, bis sie eine Öffnung in der Felswand erreichten. Die Treppe führte noch weiter aufwärts, aber die Schrate lenkten ihn durch diese Öffnung. Er betrat einen schmalen Tunnel mit dem Schimmer von Steinlicht am jenseitigen Ende. Die Kreaturen hinter ihm schritten nun lebhafter aus, als geleiteten sie ihn auf ein Schafott. Dann ergoß sich eine Woge von Wärme und Schwefelgeruch über ihn. Aus dem Tunnel trat er ins Kiril Threndor.
Er erkannte den brandroten Steinlichtschimmer der in Facetten unterteilten Wände, den scharf-sauren Gestank wie nach Schwefel, der faulendes Fleisch verzehrt, die Anzahl von Eingängen, das feurige Tanzen des Lichts an den Trauben von Stalaktiten in der Höhe, erkannte alles wieder. Es war ihm alles noch so deutlich in Erinnerung, als sei er gerade erst aus einem Alptraum erwacht. Die Höhlenschrate schoben ihn in diese Felskammer, scharten sich dann hinter ihm zusammen, um ihm den Rückweg zu versperren. Covenant begegnete zum zweitenmal Seibrich Felswürm. Seibrich kauerte auf seiner Erhöhung in der Mitte des Hohlraums. Er umklammerte mit seinen beiden großen Händen den Stab des Gesetzes, und der Stab war es, an dem Covenant ihn zuerst erkannte. Seibrich hatte sich verändert. Irgendein Übel hatte ihn befallen. Als er Covenant erblickte, fing er schrill an zu lachen. Aber seine Stimme war schwach, und sein Gelächter hatte einen Anflug von Hysterie. Er lachte nur kurz; anscheinend fehlte es ihm an Kraft, um das Lachen länger durchzuhalten. Wie die Höhlenschrate, die Covenant zu ihm getrieben hatten, war er alt. Aber was immer ihnen zugesetzt haben mochte, ihm hatte es mehr geschadet. Seine Gliedmaßen waren so knorrig geworden, daß er kaum aufstehen konnte; unaufhaltsam rann Speichel von seinen erschlafften Lippen, und er schwitzte übermäßig, als könne er die Wärme seiner eigenen Domäne nicht länger ertragen. Er hielt den Stab mit einem Gebaren wilder Besitzgier und Verzweiflung gepackt. Nur seine Augen waren unverändert geblieben. Sie leuchteten hochrot, ohne Pupillen oder Netzhäute, und schienen zu brodeln wie bösartige Lava, versessen aufs Verschlingen. Covenant empfand eine sonderbare Mischung aus Mitleid und Abscheu. Aber ihm war nur ein Moment vergönnt, um sich darüber zu wundern, was mit Seibrich geschehen sein mochte. Dann mußte er sich zusammenreißen. Der Höhlenschrat humpelte mühsam auf ihn zu. Ein paar Schritte von Covenant entfernt verharrte Seibrich, stöhnte infolge der Schmerzen in seinen Gliedern. Er nahm eine Hand von dem mit kunstvollen Schnitzereien verzierten Stab, um mit einem zittrigen Finger auf Covenants Ehering zu zeigen. Während er sprach, warf er unablässig scheele, von Zuckungen begleitete Blicke über die Schulter, als richte er seine Äußerungen an einen unsichtbaren Zuschauer. Seine Stimme klang so kloßig, wie seine Arme und Beine knotig geworden waren.
»Mein!« krächzte er. »Du hast's versprochen. Mein! Lord Seibrich ... mit Stab und Ring. Du hast es versprochen. Tu dies, hast du gesagt. Tu das. Zerschmettere jetzt nicht. Warte noch.« Er spie die Worte gehässig hervor. »Töte später. Du hast ihn mir versprochen. Den Ring. Wenn ich nach deinen Wünschen handle. Du hast's versprochen.« Er redete daher wie ein trotziges Kind. »Seibrich. Lord Seibrich! Macht! Jetzt ist sie mein!« Er seiberte womöglich noch stärker als vorher und streckte eine Hand nach Covenants Ring aus. Covenant reagierte augenblicklich allein aufgrund seines Widerwillens. Mit seinem brennenden Stab vollführte er einen raschen Hieb und schlug Seibrichs Hand beiseite. Beim Aufprall zersprang sein Stab in lauter Splitter, als
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