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Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Titel: Der Fluch des Verächters - Covenant 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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ihre Furcht zu verbergen, die jenes Wissen ihr eingetragen hatte, bis in der Runde erneut Ruhe herrschte. Dann hob sie wieder den Blick. »Ich werde euch die Sage von Berek Halbhand singen.« Nach einer letzten flüchtigen Pause plazierte sie ihr Lied in das vorfreudige Schweigen wie ein seltenes, kostbares Kleinod.
     
    »Gleich Schatten nur auf Halmen,
    verschlingt der Krieg die Mannen,
    ihr Leben tilgt er auf den Heiden.
    Beklagt die Erde auch ihr Scheiden,
    der Menschen Stern, er sinkt,
    ihre Worte wie Tränen verrannen.
    In blutigem Schatten,
    berannt von Feindesmacht,
    im roten Blut bis zum Stiefelsporn,
    mäht Berek die Argen wie reifes Korn,
    der Schönheit letzter Hüter wider Niedertracht.
     
    Letzter Streiter im Untergang, da es graust,
    Letzter in der Verzweiflung vollem Maß,
    Letzter auf des Feldes zerstampftem Gras,
    als Letzter senkt er die gehälftete Faust.
     
    In des Landes Weite wütet wahnwitzige Brut,
    Verräter bejubeln des Sieges Zeichen,
    weil Berek dem Sturme muß weichen.
    Am Donnerberg netzt Felsen seine Tränenglut.
     
    Berek! Erdfreund! Der Heimat Recke, hochverwegen!
    Waffenbruder gegen der Unholde Hand!
    Gunst schenkt die Erde, wo sich Kühne regen,
    dein Herz erschalle, Erdfreund! Heil und Segen!
    Läutere von Blut, Tod und Weh das Land!«
     
    Diese Ballade ließ Covenant erzittern, als berichte sie von einem Schreckgespenst, das er eigentlich erkennen müßte. Aber Atiarans Stimme zog ihn ganz in ihren Bann. Keinerlei Instrumente unterstützten ihren Gesang, aber noch ehe sie die erste Zeile beendet hatte, war ihm klar, daß sie keine Instrumente benötigte. Sie schmückte den deutlichen Strang der Melodie mit so viel unerwarteten Zwischentönen aus, bereicherte sie um so viel eingewobene Harmonie, durchsetzte sie mit dem Nachhall so vieler verstummter Stimmen, daß sie sich mit jedem angehobenen Motiv in drei oder sogar vier Sängerinnen zu verwandeln schien, mehrere getrennte Kehlen, vereint zum Lied. Es begann in einer Molltonart, die die golden durchhauchte, mit Sternen wie mit Edelsteinen besetzte Nacht zum Pochen brachte wie eine Wunde; ein schwarzer Wind des Verlusts wehte durch dies Lied, und in seinem Wehen schien alles, was man im Steinhausen schätzte und in Ehren hielt, aufzuflackern und zu vergehen. Während er lauschte, hatte Covenant das Gefühl, daß die gesamte Versammlung mit den Worten der Ballade litt, insgeheim unter der einflußreichen Stimmgewalt der Sängerin in stummem Schmerz aufstöhnte. Aber der Gram beherrschte die Stimme nicht lange. Nach einer Kunstpause, welche die Weite der Nacht wie eine Enthüllung erschloß, ging Atiaran zum trotzigen Refrain ›Berek! Erdfreund!‹ über, und der Wechsel trug sie hoch empor in eine Durtonlage, die für jede Stimme mit weniger Festigkeit im Andeutungsvermögen und weniger Dichte im Gewebe des Klangs äußerst waghalsig gewesen wäre; die emotionale Anteilnahme der Zuhörer blieb erhalten, veränderte sich jedoch binnen einer Sekunde vom Kummer zur Freude und Dankbarkeit. Und als Atiarans ausgedehnter, letzter hoher Ton aus ihrer Kehle erscholl wie ein Gruß an die Berge und die Sterne, da reckten die Menschen ihre Leuchtgefäße in die Höhe und antworteten mit einer einstimmigen Schlußbekundung, die weithin hallte: »Berek! Erdfreund! Heil!«
    Danach senkten sie die Lichter langsam wieder und begannen sich nach vorn zu drängen, enger um Atiaran zu sammeln, um sie die Sage erzählen zu hören. Der allgemeine Andrang war eine so schlichte und starke gemeinschaftliche Regung, daß auch Covenant unwillkürlich ein paar Schritte tat, bevor er begriff, wie ihm geschah. Mit einem plötzlichen Ruck starrte er umher – sah die Sterne, die am fernen Nachthimmel glitzerten, roch den durchdringenden, warmen Geruch der Glutsteine. Die einheitliche Reaktion der Steinhausener erschreckte ihn; er durfte es sich nicht erlauben, in ihrer kollektiven Gefühlswallung aufzugehen. Am liebsten hätte er sich zurückgezogen, doch blieb er, weil er die Sage von Berek Halbhand kennenlernen wollte.
    Atiaran begann die Erzählung, sobald die Leute sich erneut beruhigt hatten. »Es begab sich, daß in ältester Zeit ein großer Krieg ausbrach, in jenen Tagen, die am Anfang von des Menschengeschlechts Erinnerung standen – jener Zeit, bevor die Alt-Lords in die Welt traten, ehe die Riesen übers Meer der Sonnengeburt kamen und das Bündnis der Steingemeinschaft gründeten, der Zeit vor dem Friedensschwur, vor der Trostlosigkeit und

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