Der Fluch des Volkstribuns
Säulen mit ihrer Spitze aus Akanthusblättern waren auffallend schön.
»Keine Anzeichen für Aktivitäten aus der Stadt?« fragte ich den Anführer der Schlägertruppe, den ich am Vorabend unter Clodius' Eskorte gesehen zu haben meinte.
»Nein«, erwiderte er. »Bis zur Beerdigung wird wohl alles ruhig bleiben. Die anderen Tribunen werden erhebende Trauerreden halten und so tun, als hätten sie Capito besonders geschätzt. Wenn du bis dahin den Mörder nicht gefunden hast, werden sie den Laden anschließend auseinander nehmen.«
»Das war' ein Riesengaudi«, stimmte ihm ein anderer zu.
Diese Männer waren echte Kenner des randalierenden Mobs.
Ich schlenderte zum Rand des obersten Ranges neben dem Tempel und blickte über die hüfthohe Brüstung. Mit seinen abgestuften Bogenreihen sah das Bauwerk unter mir aus wie eine riesige Marmortrommel. In jedem Bogen stand eine neue Statue. Wir hatten alle griechischen Städte so gründlich geplündert, daß es kaum noch raubenswerte Kunstwerke gab; mittlerweile waren wir dazu übergegangen, uns von gelernten Bildhauern Kopien berühmter Skulpturen meißeln zu lassen.
Ich beugte mich vor, um einen besseren Blick zu haben.
Jenseits des Theaters erstreckten sich die Gebäude um den Campus Martius. Sie waren nicht so hoch wie die Bauwerke, die sich in der Stadt drängten, und zwischen den Gebäudegruppen befanden sich breite Grünstreifen. Dieser Teil Roms war eigentlich eine sehr viel angenehmere Wohngegend als die Viertel innerhalb des Pomerium, doch ein gebürtiger Römer fühlte sich nur innerhalb der Stadtmauern wirklich in Rom.
»Eine imposante Aussicht, nicht wahr?«
Ich drehte mich um. Asklepiodes stand hinter mir. Er war ein kleiner Mann im traditionellen Gewand der Ärzte. Haare und Bart waren nach griechischer Mode frisiert, ein geflochtener Silberreif zierte seine Stirn. Er war der Arzt der Gladiatorenschule des Statilius Taurus und ein alter Freund von mir. Außerdem war er laut eigener bescheidener Aussage die weltweit führende Autorität für durch Waffen verursachte Wunden. In dieser Funktion hatte er mir bei vielen Ermittlungen geholfen. Als Arzt hatte er mich öfter verbunden und genäht, als ich auf Anhieb sagen könnte. Ich ergriff seine Hand, die für einen Mann seiner Größe erstaunlich kräftig war. »Schön, dich wieder zu sehen«, sagte ich und musterte ihn eingehend. »Du bist ein wenig grauer geworden, aber ansonsten unverändert.«
»Genau wie du, mit Ausnahme von ein paar frischen Narben.
Hermes hat mir berichtet, daß ihr beiden Gallien praktisch im Alleingang erobert habt.«
»Er ist jung und neigt zur Prahlerei«, sagte ich nachsichtig.
»Im Moment sieht es so aus, als wollte jemand hier in Rom einen kleinen Krieg anzetteln.«
»Tatsächlich?« fragte er erstaunt. »Wie das?«
»Hast du nicht gehört, was passiert ist? Crassus' Abreise, der Fluch und letzte Nacht der Mord?«
»Ich habe Gerüchte gehört«, erwiderte er, »doch ich bin sehr beschäftigt und kümmere mich kaum um die römische Politik.
Ich bin Ausländer und habe nichts zu melden, was sollte es mir also nutzen?« Wir waren inzwischen bei dem Katafalk angelangt. »Laß uns lieber einen Blick auf diesen bedauernswerten Politiker werfen.« Asklepiodes klatschte in die Hände, und zwei Männer kamen die Treppe herauf gelaufen. Es waren seine ägyptischen Sklaven, die nur ihre Heimatsprache beherrschten, jedoch ausgezeichnete Chirurgen waren. Sie waren so perfekt im Anlegen von Verbänden, wie es nur ein Angehöriger des Volkes sein kann, das die Mumien erfunden hat. Auf eine wortlose Geste von Asklepiodes hin entledigten sie die Leiche ihres zerfetzten Umhangs, so daß der gewesene Tribun nackt vor ihnen lag. Im Gegensatz zu den Römern hatten sie keine Furcht, Tote zu berühren. Die Schläger sahen neugierig zu.
»Vielleicht hast du den falschen Mann gerufen, Decius«, meinte Asklepiodes. »Ich behandele Gladiatoren und keine Bestiarii.« Das waren Männer, die bei Spielen gegen wilde Tiere antreten mußten, eine weit weniger angesehene Berufsgruppe als die der Schwertkämpfer. »Glaubst du, es war ein Tier? Caesti und dornenbesetzte Knüppel hinterlassen ganz ähnliche Wunden.«
»Wer ist hier der Fachmann?« sagte er gereizt. »Genauer betrachtet, könnten es auch mehrere Tiere gewesen sein. Es sind sowohl Kratz- als auch Bißspuren, und diese Wunde«, er wies auf einen breiten Striemen quer über dem Brustkorb des armen Mannes, »könnte von einer Peitsche
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