Der Fluch des Volkstribuns
stammen.« Er beugte sich näher und bedeutete seinen Sklaven, die Leiche umzudrehen.
»Hier sind weitere Spuren, Schnitte und...«, er murmelte einige ausländische Worte, woraufhin einer der Sklaven behutsam den blutigen Abdruck am Hinterkopf betastete, »... ein Schädelbruch, verursacht vermutlich durch einen Knüppel. Es sieht so aus, als wäre er von hinten mit Waffen und von vorne von wilden Tieren angegriffen worden.«
»Wie ein Verurteilter, der von Männern mit Speeren den Löwen entgegen getrieben wird?«
»Schon möglich, obwohl die Angriffe von hinten mehr waren als Schubser. Womit hat der Mann eine so farbenprächtige und gründliche Hinrichtung verdient?«
Ich berichtete ihm kurz, was geschehen war, wobei ich natürlich den Teil mit dem heiligen Namen Roms ausließ.
»Aah«, sagte er und klatschte vor Entzücken über eine so bizarre Geschichte in die Hände. »Das ist viel besser als die üblichen Morde aus Rache oder Gewinnsucht. Es ist wie in einem klassischen Drama«, meinte er und wies mit der Hand auf die Bühne, wo die Schauspieler noch immer hopsend ihre Schrittfolgen probten. »Wenn ich darüber nachdenke, ist es sogar...« Seine Miene wurde ernst. »Wenn ich ein religiöser Mensch oder abergläubisch wäre...« Er ließ das Ende des Satzes bedeutungsvoll in der Luft hängen.
»Was dann?« drängte ich.
»Der Mann hat sich schwer gegen die Götter vergangen. In den alten Mythen, die durch die großen Dramen unsterblich geworden sind, behalten sich die Götter für Frevler eine besonders grausame Strafe vor.«
Wider alle Vernunft packte eine dumpfe Furcht meine Eingeweide. »Du meinst doch nicht etwa die Fu...«
Er hob mahnend den Finger, um mich zum Schweigen zu bringen. »Ich meine, manchmal lassen sie die Wohlgesinnten aus der Unterwelt auffahren, um einen Sünder zu Tode zu quälen.« Er benutzte einen verbreiteten Euphemismus, da man den Namen dieser schrecklichen Wesen nicht aussprechen durfte, um nicht ihre Aufmerksamkeit zu erregen.
»Diese Geister der göttlichen Rache sind angeblich mit Waffen ausgestattet, mit denen man eine Verheerung anrichten könnte, wie wir sie hier vor uns sehen.« Er machte eine vage Geste. »Das heißt, so könnte ich spekulieren, wenn ich ein abergläubischer Mensch wäre.«
Diese kleine Einschränkung kam für einige von uns zu spät.
Auf seine erste Andeutung hin waren die Schläger mit angstvoll aufgerissenen Augen von der Leiche zurückgewichen. Zwei von ihnen machten auf dem Absatz kehrt und rannten davon.
Großartig, dachte ich. Vor Einbruch der Dunkelheit würde in der Stadt ein neues Gerücht brodeln: Rom wird von den Wohlgesinnten heimgesucht!
»Und ich habe dich immer für einen Ausbund an Rationalität gehalten«, sagte ich.
»Das bin ich auch. Ich wollte bloß keine Möglichkeit außer acht lassen«, meinte er.
»Ich verstehe. Nun, wenn wir die Natur des Wesens, das ihn angegriffen hat, eine Weile hinten anstellen und uns so eng wie möglich an irdische Prinzipien halten könnten, wüßte ich gerne etwas darüber, wie er gestorben ist.«
»Zunächst einmal ist er wahrscheinlich nicht dort ermordet worden, wo man ihn gefunden hat«, erwiderte Asklepiodes. »Wieso nicht?«
»Er ist seit mindestens zwei, vielleicht auch drei Tagen tot.
Das kühle Wetter war hilfreich. Im Sommer würde er jetzt schon sehr anstößig riechen.«
»Selbst so ist er keine besonders angenehme Gesellschaft, aber ich verstehe, was du meinst.«
»Er hat fast alles Blut verloren, wie bei derart massiven Verletzungen anzunehmen war. Diese Spuren hier an seinen Handgelenken«, er wies auf eine blaugraue Linie an beiden Händen, »deuten darauf hin, daß er irgendwann gefesselt war und sich dagegen gewehrt hat.«
»Das heißt, es muß sich um mindestens zwei Täter gehandelt haben«, überlegte ich.
»So wird es wohl gewesen sein, wenn er sich nicht freiwillig hat fesseln lassen, was zwar nicht vollkommen ausgeschlossen ist, obwohl ich das in diesem Fall bezweifeln würde. Aber das ist dein Fachgebiet. Und das«, fuhr er, sich aufrichtend, fort, »ist alles, was ich dir im Moment sagen kann. Ich werde meinen Kollegen, der die Wunden der Bestiarii versorgt, konsultieren und dich in Kenntnis setzen, falls ich irgend etwas von Belang erfahren sollte.«
»Ich bin dir sehr dankbar für deine Hilfe«, sagte ich.
Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Schon aus Unterhaltungsgründen lohnt sich die Mühe. Das hier ist doch viel interessanter, als
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