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Der Fluch vom Valle della Luna

Der Fluch vom Valle della Luna

Titel: Der Fluch vom Valle della Luna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Cerrato
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tut mir leid, sie war immer so nett zu mir.«
    Sandra warf ihr einen leicht ironischen Blick zu.
    »Was glaubst du, wie oft ich hierherkomme? Und ich bin ihre Tochter. Uns wird man auch irgendwann vergessen, meine Liebe, das ist der Lauf der Dinge, mach dir nichts draus.«
    Nelly seufzte. Sie musste an Mau denken, der sie womöglich schon zu vergessen begann, wenn er es nicht bereits getan hatte.
    »Wenigstens hast du einen Sohn. Und wer wird mich füttern, wenn ich hier völlig verblödet rumsitze?«
    Lachend zuckte Nelly mit den Schultern.
    »Wenn wir erst mal so weit sind, ist es doch eh völlig schnuppe! Dann kriegen wir sowieso nix mehr mit, zumindest hoffe ich das.« Sie betraten das Altenheim: sauber, modern, effizient, steril und farblos. Sandra grüßte die Empfangsdame, die sie erkannt hatte, und ging die Treppe hinauf. Nelly folgte ihr und überlegte, was sie Signora Anna eigentlich fragen wollte.
    Sie klopften, doch niemand antwortete. Sandra öffnete sachte die Tür. Signora Anna saß in einem Sessel am hohen, schmalen Fenster. Sie hatte den Kopf zurückgelehnt, eine Brille saß auf ihrer Nase, in ihrem Schoß lag ein Buch. Sie schnarchte leise. Im Zimmer standen zwei Betten, zwei Nachttische, zwei winzige Sekretäre und ein doppelter Wandschrank. Auf einem niedrigen Regal lehnte ein in schlichtem, hellem Metall gerahmter Spiegel. Eine Tür führte ins Bad.
    »Du glaubst nicht, was ein Platz hier kostet, dabei ist es nicht gerade der pure Luxus.«
    Sandra hatte sich flüsternd zu Nelly umgedreht und den Finger an die Lippen gelegt, doch die Mutter war dennoch zusammengezuckt und öffnete die Augen. Sie rückte ihre Brille zurecht, und ein breites Lächeln erschien auf ihrem faltigen kleinen Gesicht.
    »Sandrinchen! Komm, komm her, mein Schatz! Wen hast du denn mitgebracht? Kommen Sie doch herein ... Nelly! Was für eine schöne Überraschung!«
    Sie streckte ihnen die Arme entgegen, die weiten Ärmel ihrer blassgelben Strickjacke rutschten hoch und gaben zwei magere, schlaffe Ärmchen frei.
    »Ciao, mamma , wie geht’s? Haben wir dich geweckt?« Sandra nahm ihre Mutter in die Arme und strich ihr eine weiße Haarsträhne aus der Stirn. Nelly stand beklommen daneben.
    »Guten Tag, Signora Anna. Ich freue mich auch, Sie zu sehen. Wie geht es Ihnen?«
    Das letzte Mal, als Nelly diese Frau gesehen hatte, war sie noch ziemlich fit gewesen und hatte allein in der Wohnung in Foce gelebt, in der Sandra groß geworden war. Wie lange war das her? Vier, fünf Jahre? Dann war Signora Anna wegen ihrer Arthritis immer weniger in der Lage gewesen, für sich selbst zu sorgen, und Sandra war in ihrem Job zu eingespannt, um sich genug um sie kümmern zu können. Eine Zeitlang hatten sie versucht, das Problem mit einer Pflegerin zu lösen, doch am Ende hatte sich dieses teure Pflegeheim am Righi als die beste Lösung erwiesen. So hatte Sandra ein ruhiges Gewissen, und Signora Anna schien sich in ihrem neuen Zuhause wohl zu fühlen. Selbst wenn nicht, würde sie niemals jammern oder Sandra Steine in den Weg legen.
    »Mir geht es gut, Liebes. Die Leute hier sind nett zu mir, das Essen schmeckt, und die Luft ist gut. Meine Zimmergenossin«, sie breitete die Arme aus und deutete auf das leere Bett, »ist dahin gegangen, wo normalerweise alle hingehen, die sich von hier verabschieden. Sie war schon sehr schlecht beieinander, die Ärmste. Ich kann mich nicht beklagen, bis auf die starken Schmerzen manchmal. Und die Medikamente tun nicht immer gut. Und du, Nelly? Alles in Ordnung? Maurizio?«
    »Alles in Ordnung, danke. Mau studiert Design und Fotografie in Mailand. Erstes Semester.«
    Signora Anna legte den Kopf zur Seite. Ihre großen dunklen Augen musterten Nelly.
    »Es ist gut, dass sie ihre eigenen Wege gehen, aber sie hinterlassen eine große Leere, nicht wahr?«
    »So ist es.«
    Nelly hatte sich ihr gegenüber hingesetzt, sie schien kleiner geworden zu sein, seit sie sie das letzte Mal gesehen hatte. Ihre Hände zitterten kaum merklich. Sandra kam wie immer direkt zur Sache.
    »Mama, wir sind auch gekommen, um mit dir über das zu reden, was gerade in Giacomos Familie los ist. Du weißt schon, die Unglücksfälle, und jetzt der Mord an Alceo. Nelly leitet die Ermittlungen. Es gibt wahnsinnig viele Unklarheiten, und wir dachten, dass du uns vielleicht helfen könntest.«
    Nelly bemerkte, dass Signora Anna wie geblendet mit den Lidern flatterte. Sie schluckte und faltete die Hände im Schoß.
    »Ich habe die ganze Geschichte

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