Der Fluch vom Valle della Luna
das Gesicht, sie wollte etwas sagen, bekam jedoch nichts Zusammenhängendes über die Lippen. Hilflose Tränen rannen ihr übers hagere Gesicht.
»Ma...ma...magrrrr.« Ihr Versuch endete in einem erstickten Knurren. Ihre Finger krampften sich um Marcos kräftige Hand. Sie versuchte, ihn an sich zu ziehen. Nelly und der Vizekommissar waren derart in den Bann geschlagen, dass sie nicht merkten, wie jemand die Wohnungstür öffnete.
»Wer sind Sie? Wie sind Sie hereingekommen? Raus mit Ihnen oder ich rufe die Polizei!«
Erschrocken fuhren Nelly und Marco herum. Die Fäuste in die Hüften gestemmt, neben sich zwei prall gefüllte Einkaufstüten, stand Celeste in der Tür und starrte sie an. Mit beschwichtigend erhobenen Händen ging Nelly auf sie zu.
»Wir sind die Polizei, Celeste. Wir sind wegen Magraja hier, oder besser wegen eines besorgten Anrufes ihrer Schwester Marilena. Die Tür stand offen, wir hatten befürchtet, es könnte etwas Schlimmes passiert sein, deshalb haben wir uns erlaubt nachzusehen.«
»Kommen Sie nach nebenan, dort können wir reden, sonst regt sich die arme Signora Lorenza noch auf.«
Doch Lorenza Pisu hatte nicht die Absicht, Marco loszulassen. Mit ungeahnter Kraft drückte sie seine Hand.
»Giaa...como ... ver...laass mich ... nicht.«
Energisch trat Celeste ans Bett und löste unsanft ihren Griff. Lorenzas ausgemergeltes Gesicht verzog sich schmerzvoll.
»Nein ... nicht ... weg«, stammelte die Alte. Tränen rannen ihr über die Wangen und tropften auf das rosa Bettjäckchen.
»Jetzt bringe ich Ihnen Ihren Kräutertee, und dann beruhigen Sie sich, Signora Lorenza. Signor Giacomo«, sie warf Marco einen komplizenhaften Blick zu, »geht nicht fort, er muss nur etwas essen und sich ausruhen. Dann kommt er wieder. Okay?«
In den kastanienbraunen Augen stand helle Panik, doch jegliche Gegenwehr war unmöglich. Schweren Herzens riss Marco sich vom Bett der Alten los. Wäre Celeste bloß einen Moment später gekommen, hätte man vielleicht noch mehr aus Lorenza Pisu herausbekommen, außer dass sie ihren Mann noch immer liebte und ihm irgendetwas verzieh und dass die Namen von Magraja und Celeste sie in Unruhe versetzten.
»Soll ich Ihnen einen Kaffee machen?«
Das Angebot ist höflich, die Stimme barsch. Celeste mustert sie kalt und stellt die Einkaufstaschen auf den Tisch der düsteren Küche, die auf den entsetzlichen gruseligen Innenhof hinausgeht. Der Regen trommelt laut auf das Glasdach, rinnt durch die Ritzen und fällt lärmend auf Metallrohre, Glas und Gott weiß was noch alles. Nelly und Marco lehnen den Kaffee dankend ab.
»Wir möchten Ihnen einige Fragen stellen, wenn Sie nichts dagegen haben, Celeste.«
Celeste zuckt genervt mit den Schultern.
»Und wenn ich was dagegen habe?«
Sie stiert Nelly feindselig an, führt sie in den großen Salon und lässt sie Platz nehmen. Aus dem Zimmer am Ende des Flurs dringen Klagelaute wie von einem leidenden Tier.
»Entschuldigen Sie kurz, ich muss nach ihr sehen.«
Sie verschwindet, und das Wimmern verstummt. Kurz darauf taucht Celeste wieder auf und setzt sich steif. Marco mustert ihr angespanntes Profil.
»Diese Marilena Pizzi soll sich gefälligst um ihren eigenen Kram kümmern«, bricht es aus ihr heraus. »Am liebsten wäre ihr wohl, Magraja drehte hier noch völlig durch. Dann kann sie das arme Ding in ein Irrenhaus sperren und sich auch noch die Wohnung unter den Nagel reißen.«
»Sie hat mich heute Morgen angerufen, weil sie besorgt darüber war, dass ihre Schwester die Nacht über nicht zu Hause gewesen ist. Gewiss hat das mit den Unglücksfällen der letzten Zeit zu tun. Ist es denn so merkwürdig, dass sie sich um ihre jüngere Schwester sorgt?«
Nelly versucht, neutral und beschwichtigend zu klingen. Schnaubend setzt sich Celeste zurecht.
»Meine liebe Frau Kommissarin, was wissen Sie schon von dieser Familie? Marilena Pizzi ist eine Hyäne, und vielleicht tue ich den armen Viechern damit noch unrecht. Die hat nur Geld im Kopf und anstelle eines Herzens ein großes Loch. Glauben Sie, sie oder die anderen Geschwister kommen die Mutter oft besuchen? Die haben sie hier eingemauert, und Magraja gleich mit, die sie am liebsten ans Bett ketten würden, damit sie zusammen mit der Alten verreckt. Wissen Sie eigentlich, dass die Pizzi sich, hätte ich nicht Rabatz gemacht, die Hälfte der Unterhaltszahlungen der Mutter gekrallt hätte, weil sie meinte, der Vater sei viel zu großzügig gewesen und Magraja brauche
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