Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fluch vom Valle della Luna

Der Fluch vom Valle della Luna

Titel: Der Fluch vom Valle della Luna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Cerrato
Vom Netzwerk:
soll, ist sie verschwunden. Es tut mir leid«, schloss er kopfschüttelnd.
    »Heute morgen gegen acht hat sich die hochelegante, wunderschöne Magraja Pisu mit einer Krokodilledertasche am Arm am Bahnhof Principe eine Zeitschrift gekauft. Beschreib sie mir bitte noch einmal.«
    Geduldig wiederholte Gerolamo zum dritten Mal, was er gesehen hatte.
    »Also, ich war dort, um Zigaretten zu kaufen. Eigentlich habe ich aufgehört, aber Sie wissen ja, wie das ist ... Und als ich mich umdrehe, sehe ich sie. Diese Augen, groß und grün, gespuckt die Pisu, nur größer sah sie aus, weil sie sich ganz gerade hielt. Die Haare wirkten irgendwie heller, sie hatte ... wie heißt das noch?«
    »Strähnchen?«
    »Ja, genau. Oder vielleicht war’s auch eine Perücke. Schulterlanges, gepflegtes Haar. Sie war gut geschminkt, trug eine leichte rosa Jacke mit passendem Pulli drunter. Grauer, kurzer Rock, Pfennigabsätze und den kleinen Koffer in der Hand. Über der Schulter eine Krokotasche, passend zu den Schuhen. Sie sah ein paar Jahre jünger aus, aber sonst war sie es. Eine Hammerfrau«, schloss er mit Nachdruck.
    Nelly hatte bereits zum Telefon gegriffen.
    »Signorina Pisu? Magraja? Hier ist Nelly Rosso. Ich wollte sie fragen, wo sie heute früh gegen acht Uhr waren. Warum? Das darf ich Ihnen leider nicht sagen, aber ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir trotzdem antworten würden. Zu Hause?«
    Gerolamo horchte irritiert auf.
    »Ah, der Arzt war da, um Ihre Mutter zu untersuchen. Wären Sie so freundlich, mir seinen Namen zu nennen? Sanmarco, Attilio Sanmarco? Kein Grund zur Aufregung, Maria Grazia. Nur eine routinemäßige Faktenkontrolle. Ob es was Neues gibt? Wir ermitteln noch immer in alle Richtungen. Natürlich halten wir Sie auf dem Laufenden. Wie geht es Ihrer Mutter? Vielen Dank für die Information und entschuldigen Sie die Störung.«
    Nelly legte auf und trommelte mit den Fingern auf den Schreibtisch. Gerolamo machte ein zerknirschtes Gesicht.
    Nelly kritzelte den Namen des Arztes auf einen Zettel und hielt ihn ihm hin.
    »Der Doktor war bei ihr. Du kannst es nachprüfen, das ist er.« Sie sah ihn nachdenklich an. »Wie seltsam. Du hättest wirklich die Hand dafür ins Feuer gelegt, dass diese elegante Schönheit am Principe die Pisu war?«
    »Ja, um dann zu enden wie Gaius Mucius Scaevola, der sie sich dabei verbrannte«, entgegnete Gerolamo schroff. Ganz offensichtlich fühlte er sich nicht ernst genommen.
    »Ich habe keine Ahnung, was dahintersteckt oder ob diese Frau die Gabe der Allgegenwärtigkeit besitzt«, hob er wieder an und hielt den Zettel mit spitzen Fingern hoch. »Ich werde die Sache überprüfen, und sehr wahrscheinlich wird sie bestätigt. Aber ich schwöre Ihnen, Dottoressa, wenn diese Frau nicht die Pisu war, dann glich sie ihr aufs Haar. Sie war nur gepflegter. Und schicker angezogen.«
    Seufzend verabschiedete er sich. Er tat Nelly leid. Während die Tür sich hinter ihm schloss, fragte sie sich, was es mit der seltsamen Begegnung am Bahnhof Principe auf sich hatte. Angenommen, die Frau hätte Magraja tatsächlich dermaßen ähnlich gesehen, dass Gerolamo sich hatte täuschen lassen. Sie dachte an Gioia und Gemma, die einander so gleichen, dass man Gänsehaut bekam, wenn man die Lebende vor sich hatte und an die Fotos der Toten dachte. Doch Magraja hatte keine Zwillingsschwester. Nur eine Schwester, die ihr nicht sonderlich ähnlich sah und sie offenbar hasste.
    Sie hatte sich oft gefragt, wie es gewesen wäre, wenn sie einen Bruder oder eine Schwester gehabt hätte. Zu Teenagerzeiten hatte sie ihre Klassenkameradinnen und Freundinnen mit großen Brüdern beneidet, und das aus ganz profanen Gründen. Sie konnten sich freier bewegen, abends öfter ausgehen, und außerdem brachten die Brüder haufenweise – so zumindest stellte es sich Nelly mit fünfzehn vor – coole Kumpels und Klassenkameraden mit nach Hause, mit denen man problemlos anbandeln konnte. Ach ja, die Vorteile eines großen Bruders! Doch dann hatte sie feststellen müssen, dass die Wirklichkeit anders aussah. Welcher große Bruder hatte schon Lust, die nervige kleine Schwester auf seinen Streifzügen mitzuschleifen oder ihr seine Kumpels vorzustellen. Und was eine Schwester betraf ... Sie kannte Schwestern, die ein sehr inniges, herzliches Verhältnis hatten, aber auch andere, und das waren viele, die ihren Neid und ihre Eifersucht aufeinander einfach nicht überwinden konnten. Marilena und Magraja gehörten offenbar zur zweiten

Weitere Kostenlose Bücher