Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman
schwerfällig über die Hecke hinwegflog, wobei er erregte, klagende Schreie ausstieß. Eines der Kätzchen hatte ihm mit übertriebener Wachsamkeit aus dem Unterholz aufgelauert. Als sich der riesige Vogel in die Lüfte schwang, drehte sich die kleine Katze um und floh ins Haus. »Alles in Ordnung?« Luke sah Joss von der Seite an. »Du denkst doch nicht mehr über den dummen Unfall mit dem Auto nach, oder?« Ihr blasses Gesicht sah besorgt aus, und unter ihren Augen lagen tiefe Ringe.
Sie lächelte ein wenig. »Eigentlich nicht.« In ihrem Entsetzen über den Vorfall wollte es ihr noch immer nicht einleuchten, daß sie gar nicht in der Nähe des Wagenhebers gestanden hatte, als das Auto kippte. Theoretisch wußte sie genau, daß nicht sie den Unfall verursacht hatte, aber in ihrem tiefsten Inneren war sie nicht ganz davon überzeugt.
»Bist du sicher?« Er musterte ihr Gesicht. Irgend etwas stimmte nicht mit ihr. Es war mehr als nur Müdigkeit. Er blickte wieder übers Wasser hinaus und mußte die Augen zusammenkneifen,
weil die kleinen Wellen die Sonne reflektierten und ihn blendeten. »Hast du in letzter Zeit von David gehört?« fragte er ganz nebenbei.
Sie schwieg einen Augenblick, bevor sie antwortete. »Seit Ewigkeiten nicht. Warum?«
»Nur so.«
Fröstelnd steckte er die Hände in die Taschen. Allmählich wurde der Herbstwind kalt. Er hatte den Umschlag im Stapel auf dem Küchentisch liegen sehen und die Schrift sofort erkannt; Joss sicherlich auch. Es war ein dicker, mit Tesa verklebter Brief. Beim Anblick des Kuverts hatte ihn eine ebenso irrationale wie heftige Wut überfallen. Warum hatte er es nicht ins Feuer geworfen? Warum hatte er es nicht geöffnet und den Brief gelesen? Schließlich ahnte er ja, was drinstand: noch mehr über das verdammte Haus. Zuerst hatte Joss den Umschlag nicht beachtet und zwischen der Zeitung und den Einkaufszetteln liegengelassen, aber beim Mittagessen hatte Luke bemerkt, daß er verschwunden war. Zerreiß ihn, dachte er. Bitte, Joss, zerreiß ihn!
Er trat etwas näher an das steile Ufer und starrte ins Wasser, wo Goldfische und Schleien als schwache Schatten zwischen den Wurzeln der Seerosen hin und her flitzten; das Wasser sah täuschend seicht aus.
»Luke.« Joss’ Stimme kam jetzt aus größerer Entfernung.
Luke drehte sich um, konnte sie aber nirgends sehen. Kleine Wellen kräuselten die Oberfläche und brachten die Seerosen in Bewegung. Am jenseitigen Ufer lief ein Teichhuhn mit schrillen Warnrufen über die großen, kreisförmigen Blätter.
»Joss? Wo bist du?«
Nichts warnte ihn, kein Geräusch von herannahenden Schritten – nur der plötzliche, heftige Stoß von zwei Händen, die kräftig gegen sein Kreuz drückten. Er schrie überrascht auf und fiel über das steile Ufer hinunter ins Wasser. Jetzt glitzerte es nicht mehr golden, sondern war braun, sandig, kalt und sehr, sehr tief. Luke öffnete die Augen, starrte im trüben Wasser des Teichs umher, dann fing er an, mit den Armen um sich zu schlagen. Mühsam kämpfte er sich zur Oberfläche hinauf, doch er spürte, wie die Wasserpflanzen und Wurzeln seine Beine umklammerten
und ihn wieder nach unten zogen. Endlich tauchte sein Kopf auf, und er rang keuchend nach Luft, während er die Blätter um sich beiseite schob. »Guter Gott, Joss, warum hast du das bloß getan? « Er war außer sich vor Angst und Wut. »Ich hätte ertrinken können!«
»Luke? Luke, was ist passiert?« Joss stand einige Meter von ihm entfernt; ihr Gesicht war totenbleich. »Hier, nimm meine Hand!« Vorsichtig stieg sie das Ufer hinunter und beugte sich zu ihm.
Er packte ihre Finger und ließ sich an Land ziehen. »Du fandest das wohl witzig?« fuhr er sie wütend an und schüttelte sich wie ein nasser Hund. »Etwas Besseres ist dir wohl nicht eingefallen! «
»Ich fand das überhaupt nicht witzig«, gab sie zurück. Dann verzogen sich ihre Mundwinkel leicht nach oben. »Aber Luke, es sah wirklich komisch aus, wie du dich plötzlich ins Wasser geschmissen hast. Warum hast du das bloß gemacht? Bist du ausgerutscht? «
»Ausgerutscht? Du weißt verdammt genau, daß ich nicht ausgerutscht bin. Du hast mich geschubst!«
»Das habe ich nicht!« Ihr Gesicht war der Inbegriff verletzter Unschuld. »Wie kommst du bloß auf die Idee?«
Er atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Er fror in dem kalten Wind. »Laß uns diese Debatte vertagen. Wenn ich noch länger hier herumstehe, hole ich mir eine Lungenentzündung.« Damit drehte er
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