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Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman

Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman

Titel: Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine , Ursula Wulfekamp
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hungrig. Sie atmete den kräftigen Geruch des frisch gemähten Grases und der Rosen ein, die draußen an der Mauer hochrankten, und fühlte, wie die Müdigkeit sie übermannte. Die Augenlider wurden ihr immer schwerer, und ihre Arme hielten das Baby weniger fest, fast, als würde jemand es ihr sanft abnehmen…
    »Joss? Joss, was zum Teufel tust du da!« Lyns Kreischen brachte sie mit einem Ruck in die Gegenwart zurück. Mit der Heftigkeit einer Wildkatze riß Lyn ihr Ned vom Schoß. »Du Idiotin! Du hättest ihn umbringen können! Was hast du bloß gemacht?«
    »Was … ?« Joss starrte sie verständnislos an.
    »Seine Decke! Du hast ihm die Decke aufs Gesicht gelegt.«
    »Das stimmt nicht.« Verwirrt sah Joss sich um. »Er hatte gar keine Decke. Es ist viel zu heiß.«
    Aber da war die Decke, und sie war um ihn gehüllt; sie bedeckte seinen Kopf und sein Gesicht. Ned begann zu weinen.
    »Gib ihn mir.« Mit einem schnellen Griff nahm Joss ihn Lyn wieder aus dem Arm. »Er hat Hunger. Ich wollte ihn gerade stillen, das ist alles. Ihm fehlt nichts. Er hat bloß Hunger.«
    Während sie das Hemd aufknöpfte, drückte sie Ned an sich. »Mach du den Tee! Ich komme bald runter.«
    Lyn ging rückwärts zur Tür. Ihr Gesicht war besorgt, als sie auf den Treppenabsatz hinaustrat.
    »Dumme Tante Lyn.« Joss half Ned mit dem kleinen Finger, die Brustwarze zu finden. »Als ob ich dir etwas antun könnte, mein Herz.« Sie setzte sich wieder auf den Sessel am Fenster und blickte über den Garten hinaus, während Ned zufrieden saugte. Dann lehnte sie sich entspannt in das bestickte Kissen zurück, das Elizabeth als Einzugsgeschenk mitgebracht hatte.
    Auf ihrem Kopfkissen im Bett verwelkte die Rose in den letzten
Strahlen der Sonne, die über den Himmel nach Westen wanderte, und ein Blütenblatt nach dem anderen fiel ab, so daß sie wie kleine weiße Tupfer auf den üppigen Farben der bestickten Bettdecke lagen.

24
    N ach der Abreise der Gäste war es im Haus sehr still. Ein heißer, stickiger Tag folgte dem anderen, und Luke, Joss und Lyn fühlten sich zunehmend matt. Sogar Tom war gedrückter Stimmung; ihm fehlten die Aufmerksamkeit und die Bewunderung seiner Großeltern. Jeden Morgen, nachdem Joss Ned gestillt und schlafen gelegt hatte, ging sie ins Arbeitszimmer, wo sie sich bei weit geöffneten Türen vor den Computer setzte und mit Richard und dem Höhepunkt ihres Buches rang.
    David rief zweimal an, bevor er zu einem langen Sommerurlaub nach Griechenland flog. »Ich will nur mal hören, wie’s dir geht. Kommst du mit dem Roman gut voran?« Er sagte nichts mehr von seinen Nachforschungen wegen des Hauses, und sie fragte ihn nicht danach.
    Draußen im Hof wurde der Bentley durch einen Silver Shadow Baujahr 1936 und dann durch einen Lagonda ersetzt. Am frühen Morgen und späten Nachmittag arbeiteten Jimbo und Luke in der dämmrigen Remise, die außer dem Keller der kühlste Raum in Belheddon war; die heißen Mittagsstunden verbrachten sie mit Schwimmen am Meer, einem kalten Mittagessen und einer Siesta irgendwo unter den Bäumen. An den langen Abenden arbeitete Luke im Garten, bis die Dunkelheit hereinbrach; manchmal ging ihm Jimbo dabei zur Hand.
    Lyn ignorierte alle Warnungen vor der starken Sonne und streckte sich, die Walkman-Stöpsel fest in die Ohren gesteckt, auf einem der alten Liegestühle aus, während die Kinder in ihren Zimmern schliefen. Sie hatte Mat zweimal geschrieben, aber keine Antwort erhalten.
    Joss saß am Schreibtisch und sah verärgert zu ihrer Schwester hinaus. Trotz aller Sonnenschutzmittel schälte sich die Haut an
Lyns Beinen, so daß unter der Bräune ungleichmäßige rosafarbene Flecken erschienen. Lyn behielt Joss ständig im Auge. Seit dem Nachmittag, als sie ihr Ned aus den Armen gerissen hatte, fühlte sich Joss von ihr kontrolliert. Verdrossen schüttelte sie den Kopf und streckte die Arme, um die verkrampften Muskeln zu lösen. Tom und Ned wuchsen beide sehr rasch und schienen trotz der Hitze prächtig zu gedeihen. Hätte Tom nicht ständig Alpträume, wäre das Leben sehr friedlich. Simon, der auf Lyns Drängen hin schließlich gerufen wurde, untersuchte Tom von Kopf bis Fuß und erklärte dann, die Hitze sei schuld. »Sobald es wieder kühler wird, legen sich die Träume, Sie werden schon sehen. « Die Ankunft zweier Kätzchen von den Goodyears, die Tom mit der gebührenden Feierlichkeit Kit und Kat taufte, munterten ihn sehr auf, aber die Träume kamen wieder. Wenn es denn Träume waren.

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