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Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman

Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman

Titel: Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine , Ursula Wulfekamp
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schweigend an der Wand stand. »Himmelherrgott, Luke, sag doch was. Sie hat ihm weh getan. Ihrem eigenen Kind!«
    »Lyn!« stieß Joss verärgert hervor. »Luke, hör doch, was sie sagt!«

    »Du weißt, daß das nicht stimmt, Lyn«, sagte Luke ruhig. »Das ist Unsinn. Joss würde Tom nie etwas antun. Nie im Leben.«
    »Das würde ich auch nicht! Wie kannst du es wagen, das zu sagen! « Joss holte tief Luft. »Geh ins Bett, Lyn«, wiederholte sie. »Du bist offenbar müde. Laß mich Tom in Ruhe hinlegen.« Sie beherrschte sich nur mit Mühe. »Ich würde ihm nie weh tun, und das weißt du auch. Der Arme ist aus dem Bett gefallen, das ist alles. Und jetzt ist alles wieder in Ordnung, stimmt’s, Tom-Tom?« Sie streifte ihm die Pyjamahose über und knöpfte sie wieder ans Oberteil. Dann setzte sie ihn auf. »Und jetzt, mein müder Krieger, geht’s ab ins Bett.«
    »Blechmann weg?« Tom wollte sich um keinen Preis hinlegen, sondern blieb aufrecht in seinem Bettchen stehen, hielt das Gitter umklammert und starrte an seiner Mutter vorbei in die Ecke des Zimmers.
    Joss biß sich auf die Unterlippe. Panik befiel sie. »Da ist kein Blechmann, Tom. Du hast nur schlecht geträumt. Der Blechmann ist fort. Der dumme Blechmann. Er wollte dich nicht erschrecken. Und jetzt ist er fort.« Sie bemerkte, wie Luke und Lyn sich über ihren Kopf einen Blick zuwarfen. »Jetzt komm, ich decke dich schön zu.«
     
    Mittlerweile stillte sie Ned nur noch nachts. Es war ein vernünftiger Vorschlag gewesen, ihn langsam auf die Flasche umzustellen, damit auch Lyn ihn füttern konnte. Aber dieses Stillen in der Ruhe der Nacht wollte sie nicht aufgeben, selbst wenn es zu ihrer Erschöpfung beitrug. Während sie mit dem Baby im Arm dasaß und es wiegte, wußte sie, daß sie diese kostbare Stunde, in der Ned nur ihr allein gehörte, so lange wie möglich beibehalten wollte.
    Es hatte lange gedauert, bis sie Luke und Lyn endlich überredet hatte, ins Bett zu gehen und sie mit Tom allein zu lassen. Als die beiden schließlich verschwanden, setzte sie sich neben sein Bett und las ihm eine Geschichte vor, und bald, sehr bald, fielen ihm die Augen zu. Sie beugte sich über ihn, um ihm einen Kuß zu geben, und machte dabei etwas schuldbewußt das Zeichen des Kreuzes, bevor sie ihn noch einmal richtig zudeckte und aus dem Zimmer schlich.

    Während sie Ned stillte, wanderten ihre Gedanken zu Lyn zurück. Ihre Schwester mißtraute ihr offenbar. Oder war Lyn nur eifersüchtig, weil sie keine eigenen Kinder hatte? Stirnrunzelnd dachte Joss an Toms blaue Flecke. Es war nicht das erste Mal, daß der kleine Junge hingefallen und sich weh getan hatte, und sicher hatte Lyn auch diese Flecke gesehen. Blaue Flecke von einem Sturz. Etwas anderes konnte es nicht sein. Schließlich wurde er ständig unternehmungslustiger, schlug mit dem Kopf gegen die Ecke des Küchentischs und kippelte mit seinem Hochstuhl hin und her. Bei Kleinkindern waren blaue Flecke etwas ganz Normales. Aber die Alpträume? Seine Alpträume vom Blechmann.
    Sie seufzte. Es waren keine Alpträume. Auch sie hatte ihn gesehen und gespürt, in der Ecke von Toms Zimmer, in ihrem eigenen Schlafzimmer und im großen Saal, wie er im Schatten stand und alles beobachtete; er war selbst nur ein Schatten, und doch war er immer da und wartete. Worauf wartete er? Sogar die Kätzchen spürten seine Gegenwart, davon war sie überzeugt. Keines der beiden hielt sich gerne im Saal auf; sie vermieden ihn, so gut sie konnten, und wenn sie Joss unbedingt im Arbeitszimmer aufstöbern wollten, flitzten sie mit angstgeweiteten Augen und angelegten Ohren hindurch. Mit einem Schauder drückte sie das Baby fester an sich, und Ned hörte auf zu saugen, wimmerte kläglich und öffnete die Augen. Sie lächelte ihn an und drückte ihm einen Kuß auf die dunklen Haare. »Entschuldigung, Kleiner. «
    Sie dachte an Davids Brief. Nachdem sie den Umschlag vom Küchentisch genommen hatte, hatte sie ihn ungeöffnet auf den Schreibtisch gelegt. Mittlerweile riß sie Post von David nicht mehr ungeduldig auf wie früher, sondern betrachtete sie eher mit Grauen, aber andererseits hatte sie nicht die Willenskraft, ihm zu sagen, er solle nicht mehr schreiben. Sie hatte sich an den Schreibtisch gesetzt, ihre Kaffeetasse mit beiden Händen umklammert und aus dem Fenster gesehen, ohne etwas wahrzunehmen. Der Manuskriptstapel vor ihr war kaum höher als einen Monat zuvor; die langen Stunden im Arbeitszimmer verliefen zunehmend unproduktiv. Sie

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