Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman
sich um und ging über den Rasen aufs Haus zu. Joss sah ihm nach. Ihre plötzliche Heiterkeit war ebenso rasch verschwunden, wie sie gekommen war. Sie hatte ihn nicht gestoßen. Sie war mehrere Meter von ihm entfernt gewesen, als er überraschend aufgeschrien hatte und ins Wasser geflogen war. Er war nicht ausgerutscht, er war nicht hineingesprungen. Es sah aus, als ob er gestoßen worden wäre. Und wenn nicht sie es getan hatte, wer dann?
Fröstelnd sah sie sich um. Das Teichhuhn war verschwunden. Die strahlende Herbstsonne hatte sich hinter einer Wolke verzogen, und der Garten wirkte mit einem Mal finster und kalt.
Sie beobachtete, wie Luke um die Ecke des Hauses verschwand, dann wandte sie sich wieder zur schwarzen Oberfläche
des Sees – des Sees, in dem Sammy ertrunken war. Ein Schauder durchfuhr sie. Guter, lieber Gott, jetzt fing es an.
Als Joss schließlich durch die Hintertür in die Küche trat und ihre Jacke im Flur aufhängte, backte Lyn gerade einen Kuchen. Sie blickte über das Nudelholz zu Joss und zog eine Augenbraue hoch. »Luke ist ziemlich sauer auf dich«, sagte sie. Tom kniete neben ihr auf einem Küchenstuhl, die Ärmel hochgekrempelt, und rollte seinen eigenen Teig aus. Er war über und über mit Mehl bestäubt. »Warum um Himmels willen hast du das getan?«
»Ich war’s nicht, Lyn.« Joss ging zum Herd und sah nach, ob im Kessel heißes Wasser war. Dann holte sie zwei Becher. »Ich war nicht einmal in seiner Nähe.«
»Also ist er reingesprungen?«
»Er muß ausgerutscht sein. Willst du einen Kaffee?«
Lyn schüttelte den Kopf.
»Daddy naß«, bemerkte Tom. Er steckte einen Daumen in den Teig und formte zwei Augen. Dann gab er dem Gesicht einen lächelnden Mund.
»Ich bringe ihm was Heißes zu trinken.« Joss gab Kaffeepulver in die zwei Becher und rührte das heiße Wasser hinein, dann etwas Milch. »Ich hab’s nicht getan, Lyn«, wiederholte sie mit Nachdruck. »Wirklich nicht.«
Luke ließ gerade Wasser in die Wanne laufen und schälte sich aus seinen durchnäßten Kleidern, als Joss ins Bad kam. »Hier«, sagte sie. »Kaffee, um dich aufzuwärmen. Ist alles in Ordnung?« An seinem Bein war ein langer, blutiger Kratzer.
»Ja, alles o.k.« Er ließ sich ins heiße Wasser gleiten und griff nach dem Becher. »Es tut mir leid, daß ich so wütend war, Joss, aber das war ein ziemlich schlechter Scherz.«
»Das finde ich auch.« Sie setzte sich auf den Toilettendeckel. »Ich hab’s nicht getan, Luke. Wirklich nicht. Du mußt ausgerutscht sein. Ich war ewig weit von dir entfernt. Ich habe nur gesehen, wie du plötzlich abgehoben hast.«
Er lehnte sich zurück, schloß die Augen und nahm einen Schluck Kaffee. »Wenn du meinst.«
»Luke, ich glaube, wir sollten Belheddon verlassen.«
»Joss.« Er öffnete die Augen wieder. »Wir haben das schon einmal durchgesprochen. Entschuldigung, aber das ist unmöglich.
Selbst mit dem Geld, das uns der Wein eingebracht hat. Das muß dir doch klar sein. Die Bedingung im Testament deiner Mutter lautet, daß wir das Haus nicht verkaufen dürfen; wir müssen Geld verdienen, und unsere einzige Chance ist, daß ich weiterhin Autos restauriere, und du schreibst. Na ja, wahrscheinlich kannst du überall Bücher schreiben, aber ich kann nur hier arbeiten. Für die Autos brauche ich Platz. Platz und eine überdachte Garage, und jetzt brauche ich außerdem noch Jimbo. Den Jungen müßte man mit Gold aufwiegen. Er hat einfach ein Gespür für alte Autos. Und hier kann ich das Fiasko mit Barry und H & G vergessen. Sie werden das Schwein nie finden. Darauf muß ich gar nicht erst hoffen. Ich brauchte ein neues Leben, Joss. Und hier haben wir auch Platz für Lyn. Es ist in jeder Hinsicht perfekt.« Er stellte den Becher ab und griff nach der Seife, um sich die Arme zu waschen. »Ich weiß, daß dir unbehaglich ist wegen der Geschichten, die von diesem Haus erzählt werden, aber sie sind absoluter Unsinn, und das weißt du im Grunde auch. Du darfst dich nicht von ihrgendwelchen Leuten verrückt machen lassen. Von Leuten wie David.« Er sah zu ihr und suchte in ihrem Gesicht nach einer Reaktion, und dann lächelte er. »Irgendwie freue ich mich ja, daß du es komisch fandest, deinen Mann ins fünf Meter tiefe, kalte Wasser fliegen zu sehen. Ich habe dich schon lange nicht mehr lachen sehen.«
»Ich habe nicht gelacht.«
»Na ja, gelächelt. Joss, ich weiß, daß es nicht leicht ist, mein Schatz. Der Umzug, die ganzen Erinnerungen und dann die Geschichten
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