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Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman

Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman

Titel: Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine , Ursula Wulfekamp
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Was muß denn noch alles passieren, bis du endlich merkst, was vor sich geht, Luke?« Sie stand auf und schritt aufgebracht hin und her. »Siehst du denn nicht einmal, was sich unmittelbar vor deiner Nase abspielt? Joss kann einfach nicht mehr. Sie ist depressiv. Alles wird ihr zuviel. Ich bin mir sicher, daß sie die Kinder verletzt. Sie ist für diese ganzen Unfälle verantwortlich. Klar, das ist ein Hilfeschrei, Luke, aber wer weiß, wie weit sie noch gehen wird? Du mußt etwas tun.«
    »Lyn, du weißt ja nicht mehr, was du sagst!« Zornig schlug Luke mit der Faust auf den Tisch. »Du bist schließlich ihre Schwester, in Gottes Namen…«
    »Nein. Nein, Luke, ich bin nicht ihre Schwester. Nicht mehr. Das ist inzwischen vollkommen klar. Aber ich liebe sie noch immer wie eine Schwester.« Sie strich sich ärgerlich die Haare aus dem Gesicht. »Und ich sehe doch, was hier vor sich geht. Dieses Haus, die Familie, sogar diese verdammten Geister, an die sie glaubt – das alles zusammen macht sie depressiv. Sie schreibt auch nicht mehr. Ich habe mir ihr Manuskript angesehen, das auf dem kostbaren Schreibtisch ihrer Mutter liegt. Vor drei oder vier Wochen waren es genau 147 Seiten, und seither hat sie keine Zeile mehr geschrieben. Sie sitzt nur noch da und brütet vor sich hin.«

    »Lyn, vielleicht ist es deiner Aufmerksamkeit entgangen, daß sie nicht nur Ned füttert und ein Buch schreibt, sondern außerdem noch versucht, möglichst viel im Haus zu erledigen. Und warum macht sie die ganze Hausarbeit? Weil du das Gefühl hast, es würde zu viel an dir hängenbleiben. Sie ist einfach abgespannt, Lyn.«
    »Ja, sie ist abgespannt. Ich bin auch abgespannt. Wir sind alle abgespannt und müde. Aber deshalb schlagen wir noch lange keine Kinder!«
    Plötzlich merkte sie, daß Tom seine Stifte beiseite gelegt hatte, hingebungsvoll am Daumen lutschte und sie und Luke mit großen Augen betrachtete. »Oh Tom, Liebling!« Sie eilte zu ihm, nahm ihn auf den Arm und drückte ihm einen Kuß auf die Wange. »Tante Lyn paßt auf dich auf, Schätzchen, das verspreche ich dir.«
    »Lyn!« Luke konnte sich nur mit Mühe beherrschen. »Bitte sag so etwas nicht noch einmal. Es ist nicht wahr. Joss würde niemals die Kinder schlagen. Niemals.«
    »Ach nein?« Sie starrte ihn wütend an. »Warum fragen wir Tom nicht selbst?«
    »Nein!« Er stand so heftig auf, daß sein Stuhl umkippte. »Nein, Lyn, jetzt reicht’s! Würdest du bitte Vernunft annehmen!«
    Zornig wie schon lange nicht mehr ging er hinaus und schlug die Küchentür hinter sich zu. Dabei spürte er, wie Toms Blick, der für sein Alter viel zu nachdenklich war, unentwegt auf seinen Rücken fixiert blieb.
    Mitten im großen Saal blieb er stehen und atmete tief durch. Es war verrückt, daß er sich von Lyn so zusetzen ließ. Er konnte doch erkennen, worauf sie hinauswollte – sie versuchte, Joss in den Rücken zu fallen, ihn und die Kinder gegen Joss einzunehmen und auf ihre, Lyns, Seite zu ziehen. Und sie schürte Zweifel. Verdammt, fast hätte sie ihn so weit gebracht zu glauben, daß Joss ihn in den See gestoßen hatte!
    Der große Raum um ihn schien plötzlich sehr still zu sein. Fröstelnd vergrub Luke die Hände in den Taschen seiner Kordhose und starrte auf die leere Feuerstelle. Zwischen den Kaminböcken lag ein Haufen kalter Asche, darum herum waren kleine Zweige verstreut. Es war eisig; er spürte, wie ihm die Kälte von
dem steinernen Boden in die Glieder kroch. Auf einmal hörte er auch den Wind im Kamin; es war ein leises Stöhnen, und wenn eine stärkere Bö das Haus erfaßte, klang es fast wie ein Lachen – das Lachen von Kindern.
    »Joss!« Er machte abrupt kehrt und ging zum Arbeitszimmer.
    Sie stand an der Terrassentür und starrte auf den in Dunkelheit daliegenden Garten hinaus. Der Computer war nicht einmal eingeschaltet.
    »Joss, was tust du?« Er bemerkte, wie sie schuldbewußt zusammenfuhr, nach dem Vorhang griff und ihn rasch zuzog, um den düsteren Spätnachmittag auszuschließen – als wollte sie vor ihm verbergen, was sie da draußen beobachtet hatte. Auch ihr Versuch, sich heimlich die Tränen von den Wangen zu wischen, entging ihm nicht.
    »Joss, was ist los? Warum weinst du?«
    Sie zuckte die Achseln, ohne sich zu ihm umzudrehen.
    »Joss, komm her.« Er nahm sie in die Arme und drückte sie an sich. »Erzähl’s mir doch.«
    Wortlos zuckte sie wieder die Achseln. Wie konnte sie ihm ihre Ängste erklären? Es würde nur verrückt klingen. Es war

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