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Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman

Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman

Titel: Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine , Ursula Wulfekamp
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saß nur da, lauschte angestrengt nach Geräuschen aus der Tiefe des Hauses – ein Weinen von
Ned, Toms Schreien –, und konnte sich nicht auf ihren Roman konzentrieren. Und immer spürte sie die Angst, daß sie die anderen hören würde – die Jungen, die nicht mehr da waren.
    Sie hatte den Computer angestellt, den Kaffee getrunken und zugesehen, wie auf dem Monitor ihr Textverarbeitungsprogramm erschien. Dann war ihr Blick auf den Umschlag gefallen. Seufzend hatte sie danach gegriffen und ihn mit einem Finger geöffnet.
    Diesmal enthielt er keine Fotokopien, sondern mehrere Blätter, die mit Davids enger Schreibmaschinenschrift gefüllt waren. Sie stellte sich seine ramponierte tragbare Schreibmaschine vor – gelegentlich war sie auf dem Tisch des Lehrerzimmers zu sehen, aber meist lag sie irgendwo auf dem Rücksitz seines Autos herum, die Schutzhaube voller zerfetzter Reiseaufkleber. Er tippte mit zwei Fingern – oft mit überkreuzten Fingern, wie er jedem erklärte, der die Ergebnisse seiner Bemühungen zu Gesicht bekam –, aber in diesem Brief waren keine der ausgeixten Wörter zu sehen, die seine sonstigen Schreiben kennzeichneten. Hier hatte er die Tippfehler unkorrigiert stehengelassen.
    Liebe Joss,
    Ich hoffe, mein Patenkind wächst und gedeiht. Gib ihm einen Kuß von mir.
    Wg. Blechmann. Ich glaube, ich weiß, wer/was er ist!!! Vielleicht!!! Ich habe über Katherine de Vere und ihre hexenhafte Mutter nachgeforscht. Es gibt noch eine ganze Reihe hervorragender Dokumente über die Vorgänge vor Gericht. So ganz mit heiler Haut sind sie nicht davongekommen. Margaret wurde nämlich 1482 verhaftet. Sie wurde von Belheddon nach London gebracht, aber bevor sie vor Gericht erscheinen mußte, verlangte sie, mit dem König zu sprechen – Edward IV. Er ist zu ihr in den Tower gekommen. Über den Inhalt des Gesprächs ist nichts bekannt, aber die Anklage wurde sofort fallengelassen und sie mit Geschenken überhäuft, bevor sie aus London abreiste. Ich vermute mal, daß sie etwas gegen ihn in der Hand hatte, und daß dieses Etwas mit ihrer Tochter Katherine zu tun hatte. König Edward war im Jahr davor viermal auf Belheddon zu Gast gewesen und jedesmal mehrere Tage geblieben – einmal sogar zehn Tage, was relativ
ungewöhnlich war. Was hat ihn dort so interessiert? Als politisches Zentrum konnte man das Haus ja kaum bezeichnen, und vom Kriegführen/Regieren Urlaub zu nehmen war zur damaligen Zeit nicht sehr ratsam. Eine zeitgenössische Quelle sagt, Margaret habe ihn verhext, damit er sich in ihre Tochter verliebte. Der Plan war wohl, daß Elizabeth Woodville sterben und er dann Katherine de Vere heiraten würde. Die de Veres in Belheddon waren eng mit den Herzogen von Oxford verwandt, und es hätte enorme politische Konsequenzen gehabt, wenn sie den König auf ihre Seite hätten ziehen und sich durch eine Heirat mit der weißen Rose verbünden können…
    Joss legte den Brief beiseite und rieb sich die Augen. Die weiße Rose. Der Gedanke schien fast verrückt – aber schenkte König Edward seinen Geliebten möglicherweise weiße Rosen? War das der Ursprung der Blumen? Oder verwendete Margaret de Vere die Rosen für ihre Hexerei, um den König in Liebe zu der Tochter eines unbedeutenden Adeligen entbrennen zu lassen, der am östlichsten Rand seines Reichs lebte? Joss öffnete eine der kleinen Schubladen, in die sie ganz am Anfang eine der Rosen gelegt hatte, bevor die Blumen sie mit Grauen erfüllt hatten.
    Sie suchte zwischen den Stiften, Briefmarken und Siegelwachs-Rollen, konnte aber keine Spur einer Rose finden. Nicht einmal die Überreste eines Blütenblatts. Sie zog die Schublade ganz heraus und schnupperte daran; der Geruch von Kampfer und Staub stieg ihr in die Nase, sonst nichts. Sie holte tief Luft, schob die Schublade wieder zurück und griff erneut nach dem Brief.
    Natürlich werden wir nie wissen, wieviel davon auf bösartigen Klatsch und Gerüchten und wieviel auf Tatsachen beruht – wenn überhaupt etwas davon wahr ist.
    Tatsache ist: Elizabeth Woodville hat ihren Mann überlebt.
    Tatsache ist: Katherine de Vere heiratete einen Mann, der nur sechs Monate später unter geheimnisvollen Umständen starb. Tatsache ist: Katherine selbst starb nur einen Monat darauf, vermutlich im Kindbett.

    Der König ist sieben Monate später, 1483, im Alter von vierzig Jahren gestorben. Er starb ganz plötzlich und unerwartet in Westminster. Viele fanden die Umstände seines Todes verdächtig, und deswegen wurden

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