Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman
so etwas kann einem wirklich nur passieren, wenn man das Haus voll hysterischer Frauen hat! Reißt euch doch in Gottes Namen mal zusammen! Wir leben im zwanzigsten Jahrhundert. In den neunziger Jahren. Lyn, essen wir zu Abend. Und bitte, vergessen wir das alles für den Augenblick. Tom-Tom ist in Sicherheit, er
schläft, und das Babyphon ist an, also müssen wir uns im Moment über nichts Sorgen machen.«
Einen Augenblick lang herrschte Stille, denn alle drei blickten zur Kommode, wo zwischen einer Schale mit Obst und der Kaffeekanne das kleine, weiße Gerät stand, aus dem ein leises Schnarchen zu hören war.
26
» T om-Tom, bist du wach?« Joss schob vorsichtig die Seitenwand des Kinderbettes nach unten und berührte sanft die Wange ihres Sohnes. »Kannst du Mummy hören, Tom-Tom?«
Er murmelte im Schlaf und bewegte sich ein wenig.
»Tom-Tom, wer hat dich nach oben gebracht und mit Georgies Spielsachen spielen lassen?« flüsterte sie.
Keine Antwort. Der kleine Junge atmete wieder tief und regelmäßig, seine Augen waren fest geschlossen, und einen Daumen hatte er in den Mund gesteckt. Ein paar Minuten lang beobachtete Joss ihn schweigend. Auf der anderen Seite des Gangs lag auch Ned in seinem Bettchen; sie hatte ihn eben gefüttert und gewickelt. Beide Zimmer wurden sanft von Nachtlichtern erhellt und wirkten warm und sicher. Das zaghafte Raunen des Windes, der um die Dachgiebel strich, betonte noch die Stille und Toms leises Atmen.
Mit einem Seufzen wandte sie sich vom Bettchen ab. Auf der Kommode, gut sichtbar im Lichtkegel der Nachtlampe, lag eine weiße Rose.
Sie starrte sie an, und mit einem Schlag wurde ihr übel. Die Rose hatte nicht dagelegen, als sie in das Zimmer gekommen war.
Nicht schreien.
Du darfst sie nicht aufwecken.
Joss atmete durch, ballte die Fäuste und drehte sich dann zum Fenster um. Es lag in tiefem Schatten, weil das schwache Licht nicht so weit reichte. Das Zimmer fühlte sich an wie immer. Es war nicht kälter als sonst, und in ihrem Kopf hallte auch kein
seltsames Echo. In diesem Moment wehte ein ungewöhnlich starker Windstoß um das Haus; sie sah, wie sich die Vorhänge leicht bewegten. Ihre Hände waren schweißnaß. Sie trat näher an das Bett und hielt sich am Geländer fest. »Geh weg«, sagte sie unhörbar. »Geh weg! Laß uns in Ruhe.« Plötzlich merkte sie, daß Toms Augen geöffnet waren. Noch immer am Daumen lutschend, betrachtete er sie. Als sich ihre Blicke trafen, lächelte er sie an und nahm den Daumen heraus. »Mummy gute Nacht küssen«, sagte er.
Sie beugte sich zu ihm hinab und streichelte sein Haar. »Gute Nacht, kleiner Mann.«
»Blechmann läßt Tom mit Georgies Spielsachen spielen«, murmelte er verschlafen. Doch seine Augen waren schon wieder zugefallen.
Joss spürte, wie ihr Herz vor Angst wild pochte. Sie trat vom Kinderbett zurück und sah sich noch einmal forschend um. Aber es war niemand da. Auch die Stellen, die im tiefsten Schatten lagen, waren nur schwarz und leer.
Die Rose war frisch, weich wie Samt und duftete süß. Sie zerfiel nicht, als Joss sie in die Hand nahm und ins Badezimmer trug. Einen Augenblick lang überlegte sie, ob sie sie die Toilette hinunterspülen sollte. Doch dann öffnete sie das Fenster und beugte sich in den Wind hinaus. Als sie die Rose fallen ließ, verschwand sie in der Dunkelheit wie ein Bausch Distelwolle. Erst beim Schließen des Fensters bemerkte sie, daß sie blutete; sie hatte sich an einem Dorn die Haut aufgerissen.
»Joss? Wann bist du denn aufgestanden?« Luke kam in das Arbeitszimmer und rieb sich die Augen. Es war halb sieben. »Ned weint. Du hast doch gesagt, daß du ihn heute morgen fütterst.« Stöhnend fuhr er sich mit den Fingern durch die Haare. »Gott, es ist kalt hier drin. Wieso hast du denn kein Feuer gemacht?«
Sie starrte verblüfft auf den Kamin. Gegen halb drei hatte sie den Versuch, wieder einzuschlafen, aufgegeben und war vorsichtig, ohne Luke zu wecken, aus dem Bett gekrochen und nach unten gegangen. Sie hatte ein Feuer im Kamin angezündet, hatte sich in eine Decke gewickelt, Kit auf den Schoß genommen und dann in die Flammen geschaut. Offenbar war sie dann
doch noch einmal eingeschlafen. Aber inzwischen war es wieder eisig kalt.
Gähnend streckte sie die Beine aus. »Ich konnte nicht schlafen und wollte dich nicht stören. Kannst du eine Tasse Tee für uns machen, während ich sein Fläschchen herrichte?«
Er nickte. »Klar. Fünf Minuten.«
Joss drückte Ned unter
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