Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman
»Haben wir genug, um sie zum Abendessen einzuladen? Roy ist noch weg, auf einer Konferenz oder so, deshalb ist sie allein gekommen.«
»Natürlich haben wir genug.« Lyn nickte heftig. »Du weißt doch, ich mache immer genug für zwei oder drei Mahlzeiten.«
»Wunderbar«, sagte Joss. »Lyn – tut mir leid, daß ich so unerträglich war.«
Lyn drehte sich zum Herd um, so daß Joss ihr Gesicht nicht sehen konnte. »Ist schon gut.« Sie wollte noch etwas hinzufügen, doch die Tür ging auf, und herein kam Luke mit einem Schaukelpferd aus Holz in den Armen.
»Janet!« rief Joss entzückt. »Das ist das schönste Schaukelpferd, das ich je gesehen habe!«
Es war ein handgeschnitzter Apfelschimmel mit schwarzer Mähne und schwarzem Schwanz; Zaumzeug und Sattel waren mit Messingnägeln beschlagen.
»Tom wird aus dem Häuschen sein.« Sie streichelte die glänzende Mähne, während Luke das Pferd neben der Anrichte absetzte.
»Ich habe mir immer gedacht, daß es in Belheddon ein Schaukelpferd geben muß.« Janet nahm ihren Becher und wärmte sich daran die Hände. »Ich war ganz sicher, daß irgendwo eines herumsteht. Deshalb habe ich Ihren Bruder, Luke, heimlich auf den alten Speicher und in sämtliche Scheunen geschickt, als er zur Taufe hier war.«
»Er hat kein Wort davon gesagt.« Joss strahlte sie belustigt an.
Janet schüttelte den Kopf. »Weit und breit kein Schaukelpferd, meinte er. Eigentlich sollte es ein Geschenk zur Taufe sein, aber dann habe ich erfahren, wie lange es dauern würde, eines machen zu lassen. Dieser Typ in der Nähe von Sudbury, der sie baut, hat sogar eine Warteliste.«
Sie lachte vergnügt, als Kit und Kat träge aus ihrem Korb neben dem Herd gekrochen kamen und zunächst aus sicherer Entfernung so taten, als würde sie das Pferd gar nicht interessieren, bis sie schließlich mit einem Satz Jagd auf seinen langen Schwanz machten.
»Wieder einer Ihrer hervorragenden Handwerker.« Luke legte einen Arm um Janets Schultern und drückte sie. »Sie sind wirklich phänomenal. Ich hatte keine Ahnung, daß Mat sich in sämtlichen Speichern rumtreibt. Das hat er wirklich sehr unauffällig gemacht.« Er blickte Joss an, die jedoch ganz auf das Pferd fixiert schien. »Sollen wir mal nachsehen, ob Tom noch wach ist? Wenn er noch nicht schläft, könnte er es doch anschauen, solange Janet noch da ist? Immerhin ist es doch ein ganz besonderer Anlaß.«
Janet nickte. »O ja, bitte. Würdet ihr das machen? Nur dieses eine Mal? Ich weiß, es war dumm von mir, es um diese Zeit zu bringen, aber ich habe es erst heute nachmittag abgeholt, und ich konnte einfach nicht mehr länger warten.«
»Ich hole ihn.« Luke machte sich auf den Weg. »Das ist so eine tolle Überraschung für ihn, daß er sie wahrscheinlich sein ganzes Leben lang nicht vergißt«, meinte er im Hinausgehen.
Die Küche war warm und von wunderbaren Gerüchen erfüllt. Kit und Kat hatten sich nach eingehender Untersuchung des Neuankömmlings wieder in ihrem Korb zusammengerollt, als es plötzlich aus dem Babyphon auf der Anrichte knackte und knisterte. »Joss!« Lukes Stimme aus dem Apparat klang dünn, aber dennoch war die Schärfe in seinem Ton nicht zu überhören. »Wo ist er, Joss?« fragte er.
Joss starrte auf die Anrichte. »Was meinst du damit – wo ist er?« Doch er konnte sie nicht hören. Ihre entsetzte Frage verklang in der Stille der Küche; das Gerät übertrug sie nicht nach oben.
»Du lieber Gott!« Lyn schob die Flasche so heftig beiseite, daß sie umfiel, an den Rand des Tisches rollte und der Wein auf die Bodenfliesen rann. »Was ist jetzt passiert?« Sie blickte den Bruchteil einer Sekunde lang zu Joss, dann lief sie zur Tür.
Im nächsten Augenblick rannten alle drei Frauen die Treppe hinauf. Luke stand in Toms Schlafzimmer. Das Bett war unberührt; niemand schien darin gelegen zu haben. »Das Babyphon war ausgeschaltet. Wo ist er, Joss? Wo hast du Tom hingebracht? « Er packte sie am Arm; seine Stimme bebte.
»Was meinst du damit – wo habe ich ihn hingebracht!« wehrte sich Joss, während sie ungläubig das kleine Bett betrachtete. »Er war hier! Ich habe ihn zugedeckt, zusammen mit seinem Kaninchen. « Sie sah sich verstört um; plötzlich hatte sie das entsetzliche Gefühl, als habe sich ihr Magen in einen Eisklumpen verwandelt. »Er war hier. Alles war in bester Ordnung. Ich habe ihm noch ein Kapitel aus Dr. Seuss vorgelesen – da, hier ist das Buch.« Es lag mit dem Rücken nach oben auf der Kommode
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