Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman
tut mir leid, wenn ich das jetzt so direkt sage –, das ist der Dorfklatsch, der ihre wilden Phantasien noch anstachelt. Mit dem Haus ist alles völlig in Ordnung. Die Kinder sind hier nicht in Gefahr, und sie sind es auch nie gewesen. Das alles findet nur in ihrem Kopf statt. Geschichten. Einbildung. Sie hat sich eine romantische Story ausgedacht, in der sie selbst die Heldin spielt. Sehen Sie das denn nicht, Janet? Das kommt doch alles nur von ihrer Familie. Sie hat es übernommen, und sie ist nun mal eine Träumerin. Nur findet sie es plötzlich erstrebenswerter, ihre Fiktionen als Tatsachen auszugeben, und schon gerät alles außer Kontrolle. Lassen Sie sie einfach in Ruhe, dann kommt sie schon darüber hinweg.«
»Sie wollte ein paar Tage mit den Kindern bei Janet verbringen, Luke«, sagte Lyn leise. »Um vor der unheimlichen Atmosphäre hier zu fliehen.«
»Nein!« Luke schlug mit der Faust auf den Tisch. »Nein, Janet, das ist nett von Ihnen, aber es kommt nicht in Frage. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sie in Ruhe lassen würden.«
»Das ist Joss’ Entscheidung, Luke.« Janet sprach so gefaßt, wie sie konnte.
»Nein, das ist es nicht. Nicht in diesem Fall. Das ist eine Sache zwischen ihr und mir.«
»Aber…«
»Janet«, unterbrach er sie und stand abrupt auf, »bitte halten Sie mich nicht für unhöflich, aber ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie uns jetzt alleine lassen könnten. Es ist Zeit für Tom, ins Bett zu gehen. Bitte überlassen Sie es Joss und mir, mit dieser Sache fertig zu werden.«
Janet starrte ihn mit offenem Mund an. Dann schob sie langsam ihren Stuhl zurück und atmete tief durch. »Na gut. Wenn Sie unbedingt wollen. Arme Joss.« Sie blickte zu Lyn, deren Gesicht rot angelaufen war. »Passen Sie auf alle auf. Und sagen Sie Joss, ich bin da, wenn sie mich braucht.«
Niemand sagte ein Wort, bis Janet gegangen war. »Das war sehr grob, Luke«, brach Lyn endlich leise das Schweigen. »Sie ist eine nette Frau.«
»Manchmal ist sie einfach zu aufdringlich und mischt sich in alles ein.« Er stand auf. »Ich sehe mal nach, ob die Garagen schon alle abgesperrt sind.«
Als er gegangen war, blieb Lyn mehrere Minuten sitzen, bevor sie sich mit einem Seufzer Tom zuwandte. »Willst du jetzt dein Essen, junger Mann?« fragte sie.
Luke öffnete die Tür der Remise und betrachtete die Motorhaube des Lagonda. Der hellblaue Lack glänzte seiden im Licht der Leuchtstoffröhre an der Garagendecke. Er verschränkte die Arme vor der Brust und versank in ein tiefes Grübeln, während er draußen Janets Audi davonfahren hörte.
»Luke?« Joss’ Stimme kam zögernd vom Hoftor. »Luke, bist du das?«
Er seufzte. »Ja, das bin ich.«
»Ist alles in Ordnung?« Mit klammen Händen fingerte sie an dem Riegel herum, bis sich die Pforte öffnen ließ, und eilte dann zu ihm. »Oh, Gott sei Dank! Luke, ich dachte schon, dir wäre etwas Gräßliches zugestoßen!«
»Genau dasselbe dachte ich bis vor kurzem von dir.« Er umarmte sie und drückte sie an sich. Sie bebte am ganzen Körper. »Weshalb um alles in der Welt hast du denn nicht gesagt, daß du den ganzen Nachmittag weggehen wolltest?«
»Das habe ich doch. Ich bin mir ganz sicher.«
Er lächelte wehmütig. »Na ja, vergessen wir das. Jetzt bist du ja wieder hier, und es ist nichts passiert.« Damit schob er sie sanft
von sich. »Komm, gehen wir ins Haus. Lyn wird mit dem Essen bald fertig sein.«
»Wo ist Janets Auto?« Erschöpft sah sich Joss um.
»Sie ist gefahren.«
»Gefahren? Aber ich wollte doch mit ihr… Ich wollte mit den Kindern…«
»Ich habe ihr gesagt, daß es im Moment nicht ganz paßt, Joss. Ich brauche dich hier.« Er ergriff ihre Hand.
»Luke!« Sie trat zurück. »Du verstehst nicht, was ich meine. Ich muß die Kinder von hier wegbringen. Ich muß!« Das Netz zog sich zusammen; wieder spürte sie die Lethargie, das Widerstreben, den Sog des Hauses, der sie wie ein gigantischer Magnet festhielt.
»Nein, Liebling, du mußt gar nichts. Ich denke, es ist höchste Zeit, daß wir diese Sache aus der Welt schaffen, meinst du nicht auch? Viel von dem, was passiert ist, hat nur in deiner Fantasie stattgefunden. Das mußt du doch zugeben. Lyn und ich sind hier, um dir zu helfen. Für die Jungen besteht keinerlei Gefahr – nicht die geringste. All diese Geistergeschichten, das ist alles nur hysterisches Geschwätz von Leuten wie David und, seien wir doch mal ganz ehrlich, auch von Janet. Komm jetzt. Gehen wir ins Haus. Wir können
Weitere Kostenlose Bücher