Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman
Schließlich gelang es ihm, sie aus ihrer Halterung zu lösen und die Läden zu öffnen. Sonnenschein fiel auf die staubigen Fußbodendielen. »Besser?« Er hatte es sich nicht eingebildet – sie war wirklich totenbleich.
Sie nickte. »Ich bin sprachlos.«
»Ich auch.« Er sah sich um. »Hier müßten ein paar Rüstungen herumstehen. Weißt du was, wir könnten aus diesem Haus ein Hotel machen! Mit lauter Touristen. Wir würden ein Vermögen verdienen.« Er ging über den Gang zu einer weiteren Tür und öffnete sie. »Die Bibliothek!« rief er. »Komm mal her! Die Bücher hier sollten sogar dir reichen!« Er verschwand aus ihrem Blickfeld, und dann hörte sie, wie Metall gegen Holz rieb – er machte sich wieder an Fensterläden zu schaffen.
Einen Augenblick lang blieb sie in dem leeren Saal stehen. Die Stille im Haus erschien ihr langsam bedrückend. Es kam ihr vor, als würde es lauschen, beobachten, seinen Atem anhalten.
»Joss! Komm doch mal!« Luke stand in der Tür und strahlte. »Es ist großartig.«
Joss gab sich einen Ruck. Noch immer schaudernd folgte sie ihm durch die Tür und fühlte sich sofort wohler. »Luke!« Es stimmte, die Bibliothek war wirklich großartig: ein kleiner, heller Raum, erfüllt von sanftem Herbstlicht und mit Blick über den hinteren Rasen zum See hinab. An den Wänden standen überall deckenhohe Regale voller Bücher, nur an einer Stelle unterbrochen von einem alten Rollbureau mit einem abgenutzten Lederstuhl davor. Vor dem Kamin waren drei Sessel angeordnet, dazu ein kleiner Tisch, ein überquellender Zeitschriftenständer und ein Nähkorb, in dem noch Garne und Nadeln Zeugnis von den letzten Stunden ablegten, die Laura Duncan in diesem Haus verbracht hatte.
Joss spürte einen Kloß im Hals. »Es ist, als wäre sie von einer Minute auf die nächste weggegangen. Nicht einmal ihre Nähsachen hat sie mitgenommen…« Sie befühlte die Gegenstände im Korb, und dabei traten ihr Tränen in die Augen.
»Na komm.« Luke legte ihr einen Arm um die Schultern. »Alles war geplant. Sie brauchte ihre Nähsachen einfach nicht, das ist alles. Sie wollte sich in Frankreich nur dem süßen Nichtstun hingeben. Ich wette, du würdest deine Stopfnadeln auch nicht mitnehmen.« Liebevoll drückte er ihren Arm. »Der Sekretär ist abgeschlossen. Ist in der Dose ein Schlüssel dafür?«
Kein Schlüssel paßte, und nach einigen Versuchen gaben sie es auf und setzten ihren Rundgang durch das Haus fort. Im Erdgeschoß befand sich nur noch ein kleines Wohnzimmer, von dem aus man auf die Auffahrt hinausschauen konnte. Als sich die Läden quietschend öffneten, sahen sie ihr Auto, das bereits mit vertrockneten braunen Blättern von der Kastanie am Rand des vorderen Rasens bedeckt war. Im Gras saßen unbekümmert drei Kaninchen und mümmelten vor sich hin.
Am Fuß der Treppe blieb Joss stehen. Die Eichenstufen führten in einer anmutigen Rundung nach oben ins Ungewisse. Obwohl sie wußte, daß Luke direkt hinter ihr stand, zögerte sie einen Moment und legte ihre Hand auf den geschnitzten Geländerpfosten.
»Was ist los?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht. Ich hatte gerade das Gefühl…, als ob dort oben jemand warten würde.«
Luke fuhr ihr liebevoll durchs Haar. »Vielleicht ist da auch jemand. Die Leichen im Schrank. Komm, laß Onkel Luke vorangehen. « Zwei Stufen auf einmal nehmend, verschwand er um die Biegung.
Joss rührte sich nicht vom Fleck. Sie hörte, wie seine Schritte über die Dielen hallten, dann das mittlerweile bekannte Klappern, und plötzlich flutete Sonne durch den Treppenaufgang. »Komm rauf – keine Leichen!« Wieder dröhnten seine Schritte über den Boden und wurden dann immer schwächer, bis sie nichts mehr hören konnte.
»Luke!« Plötzlich hatte sie Angst. »Luke, wo bist du?« Langsam ging sie die Stufen hinauf.
Das Holz ächzte leise unter ihrem Gewicht. Das polierte Geländer fühlte sich glatt und kalt an. Als sie um die Ecke bog, konzentrierte sie sich auf den oberen Korridor, der quer zur Treppe verlief und von dem drei Türen abgingen. »Luke?«
Es kam keine Antwort.
Sie trat auf einen verblichenen Perserteppich und warf einen kurzen Blick in das rechte Zimmer. Es war ein großes Schlafzimmer, durch dessen Fenster man in den hinteren Garten sah, und dahinter, jenseits der Hecke, auf ein riesiges Stoppelfeld und dann die Flußmündung. Auch dieses Zimmer war kaum möbliert – ein mit einem Staublaken bedecktes Bett, eine viktorianische
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