Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman
»Es sieht aus, als wäre seit Wochen niemand hier gewesen. Möchten Sie, daß wir hinuntergehen und dort suchen?«
Lyn nickte. »Wir müssen überall nachsehen.« Sie fühlte sich elend.
»Also gut.« Nach kurzem Zögern ging Janet ihr voraus die Stufen hinab.
Unten blieben sie beide stehen und horchten. »Er ist nicht hier unten«, flüsterte Lyn. »Er kann nicht hier sein.«
»Wir sehen besser nach.« Janet fühlte sich äußerst unbehaglich. »Wo versteckt er sich denn gerne? Hat er einen Lieblingsplatz? «
»Den Dachboden mag er besonders gern. Hier unten ist er eigentlich noch nie gewesen; andererseits ist es ihm auch verboten. Der Keller ist immer abgeschlossen, und der Schlüssel lag da, wo er immer liegt – wie könnte Tom also hier unten sein?«
Auch Janet wußte keine Erklärung. »Aber wir mußten doch nachsehen! Nach dem, was mit Edgar passiert ist.«
Lyn starrte sie an. »Aber er hatte doch einen Herzinfarkt.«
»Ich weiß. Aber was hat er überhaupt hier unten gesucht? Das weiß niemand.«
Sie blieben einen Moment stehen, bevor Lyn in den zweiten Keller weiterging. Auch dort gab es keine Spur von den Kindern und keinen Ort, an dem sie sich versteckt haben konnten. Mit einem Seufzer der Erleichterung schloß sie die Augen und drehte sich um. »Jetzt sehen wir am besten oben nach.«
Der große Saal, das Eßzimmer, das Frühstückszimmer, die Gänge, Waschküchen und Speisekammern hinter der Küche – sie alle wurden einer gründlichen Durchsuchung unterzogen. Als die beiden Frauen wieder in der Küche standen, griff Janet nach ihrer Jacke. »Kommen Sie! Wir müssen draußen suchen. Ob Jim wohl zurück ist? Er könnte uns helfen.«
Aber der Hof war leer, die Garagen und die Remise waren mit Vorhängeschlössern verriegelt. »Wenigstens wissen wir, daß sie auf jeden Fall nicht dort sind«, sagte Lyn, während sie an einem der Schlösser rüttelte. Ihre Angst wurde immer größer.
Der Garten lag öde und verlassen da, das Novemberlicht begann bereits der Nacht zu weichen, als die beiden Frauen auf den Rasen hinaustraten. »Wir müssen zum See!« Lyns Hände zitterten. »Ach Janet, warum? Was hat Tom sich bloß gedacht?« Plötzlich brach sie wieder in Tränen aus.
»Wahrscheinlich ist überhaupt nichts passiert.« Janet nahm sie kurz in den Arm. »Kommen Sie! Er spielt uns nur einen Streich, das ist alles. Ich bin mir sicher, daß ihnen nichts zugestoßen ist.« Aber ihre Stimme klang wenig überzeugt.
Schweigend gingen die beiden über den Rasen zum See hinunter. Nach wenigen Metern verfiel Lyn in einen Laufschritt. Am Ufer blieb sie stehen und ließ ihren Blick über das Riedgras und die Seerosen schweifen. Ganz in ihrer Nähe brach ein Teichhuhn aus dem Gebüsch hervor und paddelte mit schrillen Alarmrufen über das Wasser davon, und ein Reiher, der auf der Insel in der Mitte des Sees gestanden hatte, schwang sich unbeholfen in die Luft und krächzte aufgebracht.
»Ich kann nichts sehen.« Lyn wischte sich die Tränen aus den Augen, als Janet sie keuchend einholte.
»Ich auch nicht. Jetzt gehen Sie in die eine Richtung um den See, und ich in die andere; dann können sie uns nicht entwischen. « Sie drückte Lyn ermutigend den Arm und ging mit großen Schritten davon; ihre Schuhe platschten im schlammigen Gras. Die Luft war sehr kalt, sie fror, während sie weitereilte, das Wasser mit den Augen absuchte und ihr der schreckliche Gedanke kam, daß sie vielleicht wirklich etwas finden könnte. Aber weder auf dem See noch in der Umgebung war irgendeine Spur des kleinen Jungen oder des Babys zu sehen. Als sie wieder mit Lyn zusammentraf, lächelte sie erleichtert. »Gott sei Dank sind sie nicht hier. Das hätte ich nicht ertragen. Wo können wir noch suchen?«
Verzweifelt blickte Lyn um sich. »Tom ist noch so klein. Er kann nicht weit gegangen sein. Nicht allein.« Sie kaute auf ihrer Unterlippe. »Sie glauben doch nicht – Sie glauben doch nicht, daß sie entführt worden sind?«
»Wer sollte sie denn entführen?« erwiderte Janet. »Die beiden waren im Haus. Sie hätten doch gewußt, wenn jemand anders dagewesen wäre.«
»Irgend jemand hat mich eingesperrt, Janet.«
Es herrschte Schweigen. »Ich glaube, wir sollten besser die Polizei rufen«, schlug Lyn schließlich vor. »Gehen wir ins Haus zurück.«
Auf dem Weg suchten sie überall nach einem Zeichen der beiden Jungen. »Vielleicht versteckt er sich einfach – in einer Hecke oder hinter einem Busch oder so. Wir sollten nach
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