Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman
wär’s, wenn Sie mir jetzt erzählen, was heute nachmittag wirklich passiert ist? Es hat den Anschein, als wollten Sie und Lyn es unbedingt geheimhalten.«
»Wir wollten Ihnen keinen Schrecken einjagen.«
»Dann erschrecken Sie mich jetzt, wo die Kinder außer Gefahr sind.«
Es dauerte nicht lange, bis Janet die Geschichte erzählt hatte.
Als sie fertig war, wandte Joss sich wieder ab, damit Janet nicht die Angst in ihren Augen bemerkte.
»Tom kann es nicht gewesen sein«, wiederholte Janet. »Er kann unmöglich den Schlüssel geholt haben, und er kann auch nicht die Gurte von Neds Buggy geöffnet haben.«
»Aber Sie glauben auch nicht, daß es ein echter Mensch war.«
»Jimbo?« meinte Janet achselzuckend. »Soweit ich weiß, hat er einen Schlüssel, aber irgendwie bezweifle ich, daß er im Haus war. Und wer käme sonst noch in Frage?« Sie faltete ihre Stickarbeit zusammen und legte sie in ihren Korb. »Ich sage Ihnen eines, Joss. Ich wünschte, Luke wäre nicht ins Haus zurückgegangen. Das wünschte ich wirklich.«
39
L uke schaltete das Licht in der Küche aus und ging langsam zur Treppe. Im großen Saal blieb er stehen und sah sich um. Es war noch warm dort, obwohl das Feuer schon lange erloschen war, und es roch nach Holz und Blumen und alter Lavendelpolitur. Mit der Hand am Lichtschalter blieb er stehen und gab sich seinem Glücksgefühl hin. Es war wunderbar, wieder zu Hause zu sein, so schön die Reise auch gewesen war. Paul hatte ihm gut gefallen, und er hoffte, sie würden ihn bald einmal wiedersehen. Seufzend machte er das Licht aus und stieg die Treppe hinauf.
Als er im Schlafzimmer im Schein der Deckenlampe sein Jackett auszog, fiel sein Blick aufs Bett. Eine Minute lang glaubte er, seinen Augen nicht trauen zu können. Langsam ging er hinüber und fuhr mit der Hand über die Tagesdecke. Sie war mit den Blütenblättern weißer Rosen übersät. Sein Mund blieb offenstehen. Sie waren eiskalt, wie Schneeflocken, und lagen in einer dicken Schicht über die gesamte Decke verstreut.
Lyn oder Janet? Ein Streich – und zwar kein sehr freundlicher –, der auf Joss abzielte. Mit einer ärgerlichen Geste fegte er die Blütenblätter vom Bett und sah zu, wie sie sich über den Boden verteilten.
In der Ecke des Raums, im tiefen Schatten, regte sich die schlummernde Stille, und einer der Schatten löste sich heraus und bewegte sich etwas näher ans Bett.
Luke zog die Decke zurück, schüttelte sie aus und legte sie zusammengefaltet über den Stuhl in der Ecke. Es war schon zu spät, um noch aufzukehren, beschloß er. Das konnte er morgen
früh machen, bevor Joss nach Hause kam. Er zerrte sich den Pullover über den Kopf und ging ins Bad, wo er heißes Wasser einlaufen ließ.
Leise vor sich hin pfeifend betrachtete er sein Spiegelbild und griff nach der Zahnpasta. Er verzog das Gesicht, als er die dunklen Ringe unter seinen Augen sah, dann hielt er inne, und ihm stockte der Atem; ihm wurde bewußt, daß er die Ohren spitzte und durch das Geräusch des fließenden Wassers hindurch auf etwas lauschte. Ungeduldig stellte er die Hähne ab, und als das Wasser noch einige Sekunden weiter lief, drehte er mit aller Macht an ihnen. Daraufhin fielen nur noch vereinzelte Tropfen platschend ins Wasser, als würden Steine in einem Metalleimer klappern, dann herrschte endlich Ruhe. Auf Zehenspitzen schlich er zur Tür, drehte lautlos am Griff und zog sie langsam auf, um in den Gang zu sehen. Es war niemand da.
Rasch schlüpfte er in seinen Morgenrock, band den Gürtel über der Jeans fest und trat auf den Treppenabsatz hinaus, wo er vorsichtig über das Geländer nach unten blickte. Er war sich nicht sicher, was er gehört hatte, aber ihn beschlich das untrügliche Gefühl, daß etwas – jemand – da war.
»Joss?« Es war ein Flüstern. »Joss?« wiederholte er lauter. Die Stille schien noch tiefer zu werden. Er wünschte, er hätte eine Waffe zur Hand. Sein Blick fiel auf den Zinnleuchter auf der Truhe zwischen den Schlafzimmertüren. Wie ein Einbrecher schlich er hinüber, nahm die Kerze heraus und umklammerte entschlossen den schweren Gegenstand, bevor er wieder zur Treppe ging.
»Joss? Wer ist da?« Diesmal war seine Stimme kräftiger. »Komm schon, ich höre dich doch.«
Das war gelogen. Die Stille war so tief, daß sie fast greifbar schien.
»Joss?« Er setzte den Fuß auf die oberste Stufe. »Joss? Lyn?«
Vorsichtig ging er die Treppe hinab, auf halber Höhe vernahm er plötzlich eine Bewegung
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