Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman
heute vormittag von Mary Sutton erfahren. Aber als du neulich runtergegangen bist – da habe ich es gespürt. Etwas Seltsames – es hat mir angst gemacht.«
»Das ist nur der kalte, modrige Geruch, Joss.« Seine Stimme war sehr sanft. »Der Tod eines kleinen Jungen ist doch nichts, was einem angst zu machen braucht. Es ist traurig, ja, sehr traurig. Aber das ist doch schon so lange her. Und jetzt sind wir hier, um in dem Haus glücklich zu sein.«
»Glaubst du das wirklich?«
»Warum sollte deine Mutter es dir sonst vererbt haben?«
»Ich weiß es nicht.« Sie umklammerte ihre Knie. »Sie hat es mir vermacht, weil mein Vater es so wollte.« Sie schüttelte den Kopf. »Es ist seltsam. Er ist eine schattenhafte Gestalt. Er wird nie erwähnt. Niemand scheint sich an ihn zu erinnern.«
»Er ist doch lange vor deiner Mutter gestorben, oder? Wahrscheinlich ist das der Grund.« Er stand wieder auf. »Komm.« Er
streckte ihr eine Hand entgegen und zog sie auf die Füße. »Jetzt holen wir eine Flasche von Philips Extra-Auslese und betrinken uns sinnlos, solange das Haus noch uns allein gehört. Was meinst du?«
»Klingt gut.« Sie gab ihm einen Kuß.
Der Schlüssel steckte im Schloß. Luke öffnete die Tür, tastete im Dunkeln nach dem Lichtschalter und knipste ihn an. Dann blickte er die Holzstufen hinab, die zu den unterirdischen Gewölben und den Weinregalen mit den verstaubten Flaschen führten. Es war sehr kalt im Keller. Vorsichtig ging er Joss voraus die Stufen hinab und wartete unten auf sie. »In Ordnung?«
Sie nickte. Merkwürdig, die Luft roch abgestanden, aber gleichzeitig auch frisch; es herrschte eine Stille wie in einer Gruft, und doch spürte man durch die Muffigkeit hindurch die frische Kälte des Gartens.
»Sieh mal«, sagte Luke und deutete nach oben an die Wand. »Hinter diesen Gittern sind die Beete vorne am Haus. So kommt die Luft von draußen herein, aber irgendwie scheint sich die Temperatur nie zu verändern. Gut für den Wein.« Er blickte zu dem Regal, das ihm am nächsten stand. »Die neueren Jahrgänge sind wahrscheinlich am ungefährlichsten. Es wäre doch jammerschade, Hunderte von Pfund zu vertrinken, nur um meine Frau zu verführen!«
»Vielen Dank!«
Jetzt war hier unten nichts Beängstigendes zu spüren. Nur Stille und möglicherweise auch Erinnerungen. Joss versuchte, die Gedanken an einen achtjährigen Jungen zu verbannen, der an seinem Geburtstag aufgeregt und fröhlich die Tür öffnete und in die Dunkelheit hinunterspähte … Die Vorstellung war zu entsetzlich. Ärgerlich wischte sie sie beiseite. »Nimm irgendeine, und dann gehen wir wieder hoch. Es ist kalt hier unten.«
»Also gut. Aber davon erzählen wir David nichts, abgemacht? Bevor er kommt, wandern die belastenden Beweisstücke in den Flaschencontainer.« Er holte zwei Flaschen hervor. »Dann komm.«
Nachdem sie die Kellertür verschlossen, den Korkenzieher aus der Küche geholt und bei Tom-Tom nachgesehen hatten –
das Babyphon war angestellt –, machten sie es sich wieder vor dem Kamin bequem. »Also, was haben wir denn da?« Luke begutachtete das Etikett. »Clos Vougeout 1945. Joss, das Zeug ist doch alt! Wahrscheinlich sollten wir es atmen lassen, bevor wir es trinken.«
»Mach die Flasche doch auf, und stell sie ein Weilchen vors Feuer.« Joss griff nach dem Karton mit den Briefen. Alles, um nicht an den Jungen denken zu müssen, der an seinem Geburtstag aufgeregt in die verbotene Dunkelheit spähte …
Belheddon Hall,
Belheddon,
Essex
29. September 1920
Lieber John,
Samuel und ich haben uns sehr gefreut, Dich gestern hier zu sehen und zu hören, daß Du Dich wieder in Pilgrim Hall niederläßt. Und Du wirst heiraten! Lady Sarah ist eine wunderbare, sanfte Frau. Ich weiß, daß sie Dich sehr, sehr glücklich machen wird. Wie gesagt werde ich in einigen Wochen entbinden, aber danach können wir Euch beide bald hier in Belheddon empfangen. Mein Samuel hofft, nächstes Jahr hier im Herrenhaus wieder Tennis-Feste zu veranstalten. Es wäre sehr schön, wenn Ihr beide kommen könntet.
Immer Deine Dich liebende Cousine, Lydia Manners
Lydia Manners. Nachdenklich drehte Joss den Briefbogen um. Die Großmutter, nach der ihre Mutter sie bei ihrer Geburt benannt hatte. Sie zog ein weiteres Bündel Briefe aus dem Karton. Es war mit einer hellblauen Schleife zusammengebunden, auf dem vorne »Vaters Briefe« stand, aber nicht in Lauras Handschrift. Stirnrunzelnd ging Joss sie durch. Unterschiedliche
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