Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman

Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman

Titel: Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine , Ursula Wulfekamp
Vom Netzwerk:
auf den Tisch gestellt hatte, waren Blütenblätter auf die schwarze, polierte Eichenplatte gefallen, und die Silberschale umgab ein Ring von klebrigem Pollenstaub. Mit einem Schauder sah sie sich im Raum um und ging dann die Treppe hinauf.
    Als sie in den Babykorb sah, bemerkte sie, daß ihr Herz vor Angst wild schlug. Was hatte sie erwartet? Daß ihrem Kind etwas Schreckliches passiert war? Sie lächelte. Er war wach und wedelte mit seinen kleinen Fäustchen ziellos durch die Luft.
    »Hallo, kleiner Fremder«, flüsterte sie und nahm ihn in ihre Arme. Dann trug sie ihn zum Sessel am Fenster, setzte sich bequem hin, so daß sie über den Garten hinausblicken konnte, und knöpfte langsam ihre Bluse auf.
    Ned. Der Name war plötzlich in ihrem Kopf aufgetaucht. Edward. Soweit sie wußte, gab es in ihrer Familie niemanden, der so hieß. Stirnrunzelnd versuchte sie sich an die Namen in der Familienbibel unten im Arbeitszimmer zu erinnern. In der Familie Davies gab es bestimmt niemanden mit dem Vornamen. »Edward Philip Joseph Grant.« Sie sprach die Namen laut vor sich hin. »Nicht schlecht für so ein kleines Kerlchen«, sagte sie zärtlich und drückte ihm einen Kuß auf seinen dunklen Haarschopf.
    Als er wieder schlief, setzte sie sich auf die Fensterbank, und erst dann holte sie die fotokopierten Seiten aus ihrer Tasche wieder hervor.
    Im Laufe der nächsten Monate kamen immer wieder neue Gerüchte in Umlauf, die der untröstlichen Familie große Schmerzen bereitet haben müssen. Mr. und Mrs. Bennets Unruhe wuchs
zunehmend, und Dr. Simms wurde mehrfach ins Herrenhaus gerufen. Und dann, Ende Juli des Jahres, verschwand John Bennet. Obwohl überall im Lande nach ihm gesucht wurde, blieb er unauffindbar.
    Ungefähr fünfzehn Jahre später gingen im Grenzgebiet von Essex und Suffolk Gerüchte um, was tatsächlich vorgefallen war.
    Es hieß, in mehreren Wirtshäusern sei ein älterer Mann gesehen worden, der behauptete, der verschollene John Bennet zu sein. Er sah aus wie ein Achtzigjähriger (John Bennet wäre zu der Zeit rund fünfundfünfzig gewesen, ein Jahr älter als seine Frau), mit weißen Haaren, hohlen Augen und einem auffälligen nervösen Zucken. Die Gerüchte, daß er sich im Grenzland von Suffolk aufhalte, gelangten natürlich auch zu Mary Sarah, die damals noch mit ihrem einzigen überlebenden Kind Lydia – mittlerweile eine junge Dame von sechzehn Jahren – in Belheddon Hall lebte. Anscheinend hatten die Dämonen von Belheddon ihr Unwesen eingestellt, nachdem der Herr des Hauses verschwunden war. Mary Sarah, so heißt es, bezeichnete den Mann als einen Betrüger und weigerte sich, ihn zu sehen. Er seinerseits wollte Belheddon Hall um nichts in der Welt aufsuchen, und wenn er nach seinem Verbleib in der vergangenen Jahren gefragt wurde, antwortete er ausweichend und bekümmert.
    Möglicherweise hätte man nie wieder von ihm gehört, wäre er nicht eines Tages bewußtlos auf den Kirchenstufen im Dorf Lawford aufgefunden worden. Der Pfarrherr ließ ihn in sein Haus bringen, wo er so lange gepflegt wurde, bis er wieder ansprechbar war. Die Geschichte, die er dem Geistlichen erzählte, wurde nie offiziell verlautbart, doch ein Dienstmädchen im Pfarrhaus berichtete, während des Gesprächs der beiden Männer habe sie mehrmals ins Arbeitszimmer gehen müssen, um das Feuer nachzuschüren, und die Erlebnisse, von denen der Besucher berichtete, hätten sie mit Entsetzen erfüllt.
    John Bennet – so erzählte er, und als dieser gab er sich aus – sei eines Abends in der Dämmerung durch den Garten von Belheddon geschlendert, als ihm plötzlich etwas gegenüberstand, das wie ein Mann aussah, der in einer uralten Rüstung steckte. Diese Gestalt, gut über zwei Meter groß, sei mit ausgestreckten Armen auf ihn zugegangen.

    Als er sich zur Flucht umwandte, sei er im Schlamm am Ufer des Sees ausgerutscht und auf den Rücken gefallen. Zu seinem Entsetzen habe sich die Erscheinung über ihn gebeugt und in die Luft gehoben. Noch bevor er wußte, wie ihm geschah, sei er ins Wasser geschleudert worden.
    Beim Auftauchen habe er sich nach dem Angreifer umgesehen, aber keine Spur von ihm entdeckt. Das Ufer des Sees sei menschenleer gewesen, und auch in den Schatten seien nichts als die Umrisse der Bäume zu erkennen gewesen. Bennet, so er es denn war, sei zum jenseitigen Ufer geschwommen und dort an Land gegangen, aber sein Geist, der durch den Tod seines einzigen Sohnes bereits angegriffen war , war nun vollends verwirrt.

Weitere Kostenlose Bücher