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Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman

Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman

Titel: Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine , Ursula Wulfekamp
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trug ihn zur Fensterbank.
    Bevor sie sich hinsetzte, sah sie in den Garten hinaus. Das mittlere Fenster zwischen dem Stabwerk stand einen Spaltbreit offen, und als sie es weiter öffnete, stellte sie überrascht fest, daß die Nachtluft draußen wesentlich wärmer war als die Luft in ihrem Schlafzimmer. Einen Moment ließ sie sich von der Schönheit der Nacht überwältigen. Dann holte das gequälte Schreien des Babys sie in die Gegenwart zurück. Sie schob ihr Nachthemd von der Schulter und legte das Baby an die Brust, sah dabei aber ununterbrochen zum See hinaus. Der Schatten einer Wolke zog über den Rasen, der in völliger Stille dalag.
    Mehrere Minuten blieb sie stehen, besänftigt von den rhythmischen, saugenden Geräuschen des Babys und vom leisen Schnarchen ihres Mannes, bis sie sich schließlich müde in den
Sessel sinken ließ. Als sie Ned die andere Brust geben wollte, hörte sie plötzlich die Nachtigall. Verzückt sah sie auf. Die klaren Noten perlten zum Fenster herein; vermutlich sang der Vogel im Wald hinter der Kirche. Der Klang erfüllte das ganze Zimmer. Joss stand auf und ging wieder zum Fenster hinüber. In der Nähe des Sees spielten zwei Kinder im Mondlicht. Sie erstarrte. »Georgie? Sammy?«
    Ned bemerkte ihren Stimmungsumschwung sofort, hörte auf zu saugen, drehte den Kopf zur Seite und verzog protestierend das Gesicht. Joss’ Mund war ganz trocken geworden. »Sammy?« flüsterte sie wieder. »Sammy?«
    »Joss?« Luke drehte sich im Bett um. »Ist alles in Ordnung? «
    »Alles bestens.« Sie redete beschwichtigend auf das Baby ein und wiegte es sanft; auf einmal wurde ihr bewußt, daß die Nachtigall zu singen aufgehört hatte. Und die Gestalten im Mondlicht waren verschwunden.
    »Komm ins Bett.«
    »Gleich. Sobald er wieder eingeschlafen ist.«
    Nach einiger Zeit legte sie Ned in sein Bettchen zurück, streckte die Arme, und da hörte sie wieder die Nachtigall; der Gesang kam aus größerer Ferne und hallte durch die Stille des Gartens. »Hörst du das?« fragte sie Luke im Flüsterton. »Ist es nicht wunderschön?«
    Sie bekam keine Antwort.
    Lukes Gesicht lag im Schatten; die schweren Vorhänge des Bettes waren halb über seinen Kopf gezogen, als ob er das Mondlicht abschirmen wollte. Lächelnd drehte sie sich wieder zum Fenster. Auf dem Sims lag eine weiße Rose, die im Mondlicht silbern schimmerte.
    Sie starrte sie mehrere Sekunden lang an und spürte, wie ein Schrei in ihr aufstieg. Nein. Bestimmt bildete sie es sich nur ein. Da war keine Blume. Es konnte keine dasein! Sie holte tief Luft, schloß die Augen und zählte mit geballten Fäusten langsam bis zehn; in ihren Ohren hallten die klaren, fließenden Klänge der Nachtigall immer lauter. Dann öffnete sie die Augen wieder und blickte auf das Fensterbrett.
    Die Rose war verschwunden.

21
    K aum hatte sich am nächsten Morgen die Hebamme verab schiedet, trafen die Gowers ein. Joss ging ihnen in das sonnendurchflutete Arbeitszimmer voraus und setzte das Tablett mit Kaffee und Keksen auf dem Schreibtisch ab. Die Gäste blieben in der Tür stehen und sahen sich um.
    »Ach, es hat sich ja überhaupt nicht verändert, seit Ihre Mutter hier gelebt hat«, sagte Dot mit offensichtlichem Entzücken. »Joss, Kind, dieser Raum ist einfach wunderschön. Und das ist der Kleine? Darf ich ihn ansehen?« Ned schlief in seinem Bettchen neben dem offenen Fenster. Sie betrachtete ihn einige Sekunden und wandte sich dann mit einem Lächeln um. »Edgar? Komm mal. Ich glaube, das Haus ist gesegnet. Ich glaube, das ganze Unglück ist verschwunden.«
    Ihr Mann blickte in das kleine Bett, und dann erschien auch auf seinem Gesicht ein Lächeln. »Meine Liebe«, sagte er zu Joss, »als ich das letzte Mal hier war, habe ich für Ihre Mutter eine Andacht gehalten, zum Segnen und Exorzieren. Ich glaube, es hat gewirkt. Dot hat recht. Die Atmosphäre ist völlig anders. Ich werde nie vergessen, wieviel Qual, Angst und Haß damals in den Mauern zu stecken schien. Ich hatte das Gefühl, als würde ich mit dem Teufel selbst ringen. Aber jetzt…« Er schüttelte verwundert den Kopf. »Jetzt ist das Haus voller Freude und Licht.« Einen Augenblick lang blieb er mit dem Rücken zum Kamin stehen, dann nahm er auf einem Sessel Platz. »Darf ich Ihnen einen Vorschlag machen?«
    Joss bedeutete Dot, sich auf den zweiten Sessel zu setzen, und schenkte dann Kaffee ein. »Natürlich.«
    »Ich glaube, es wäre schön, Ihren Kleinen so bald wie möglich zu taufen. Würden Sie

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