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Der Fluch von Colonsay

Titel: Der Fluch von Colonsay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaye Dobbie
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an.
    »Tut mir leid.«
    »Mach dir nichts draus, ich bekomme auch nichts runter. Lass uns lieber die Show anschauen.«
    Plötzlich fühlte sich Rosamund unbehaglich. Mach dich nicht lächerlich, wies sie sich zurecht. Das ist Gary. Er kennt dich und deine ganzen finsteren Geheimnisse schon lange. Er ist ein Freund, einfach ein guter Freund.
    Ein Mann im Schaffellmantel war auf die Bühne gestiegen und hatte das Mikrofon übernommen. Seine Version von I Honestly Love You wurde von Buhrufen aus dem Publikum begleitet. Rosamund fühlte, wie es ihr eiskalt den Rücken hinunterlief.
    Das war der Wettbewerb, von dem Gary ihr damals erzählte. Leute sangen etwas vor und bekamen einen Preis dafür. Das war ihm klar gewesen, bevor er sie hierher brachte. Oder hatte er sie genau deswegen mitgenommen? Rosamund wandte sich zu ihm um. Er beobachtete sie, suchte ihre Gedanken zu deuten. Sein Blick offenbarte eine Mischung aus Schuldgefühlen und Belustigung.
    »Nein«, sagte sie fest.
    »Keiner zwingt dich«, antwortete er sanft. »Ich halte es nur für eine unglaubliche Verschwendung, wenn eine Frau mit deinem Talent andere nicht an ihren Fähigkeiten teilhaben lässt.«
    »Ich bin zu alt für ein Comeback«, entgegnete sie schnippisch. Ihre Standardantwort, wenn jemand sie an den Glanz längst vergangener Tage erinnerte.
    Gary schien wenig beeindruckt. »Ach ja, richtig«, spottete er.
    Der Lammfellmantel verließ die Bühne, und ein junges Mädchen nahm seinen Platz ein. Nervös und angetan mit viel zu engen Jeans versuchte sie sich ziemlich erfolgreich an Wannabe. Das Publikum bedachte sie mit freundlichem Applaus. Dann kam eine Frau mit einem breiten professionellen Lächeln. Sie lieferte eine Darbietung, neben der ihre Vorgänger sehr amateurhaft wirkten. Aber die Zuhörer mochten sie nicht, der Applaus kam eher halbherzig.
    Gary neigte sich zu Rosamund hinüber. »Mach schon«, flüsterte er. »Ich werde nicht lachen. Keiner wird über dich lachen. Du hast das früher gut gekonnt. Also sing für mich, Rose.«
    Sie fragte sich, ob er sich vorstellen konnte, was es sie kosten würde, aufzustehen und ihre Vergangenheit aufleben zu lassen.
    »Ich kann nicht«, sagte sie mit einem halben Lachen. »Ich würde mich total zum Narren machen.«
    »Nein, das würdest du nicht. Und wenn doch, kümmert das hier keinen.«
    »Doch. Mich.«
    »Rose, ich glaube trotzdem, du solltest es versuchen. Du musst einfach!«
    Die Kehle wurde ihr eng, und sie schluckte. Sie fühlte sich ein wenig benommen, als hätte sie zu viel getrunken. In all den Jahren, seit sie Mark getroffen und mit dem Singen aufgehört hatte, war sie nicht ein einziges Mal auf die Bühne zurückgekehrt. Der Gedanke daran traf sie heftig, wie ein Schlag ins Gesicht. Sie wusste nicht, ob sie sich überwinden konnte.
    »Gary …«
    »Mach schon.«
    Seine Hand umfasste die ihre und zog sie hoch. Dann stand sie auf und ging Richtung Bühne. Leute traten zur Seite, um sie durchzulassen. Sie erklomm die einzelne Stufe, die auf das Podest führte, und stand neben dem Keyboarder. Er sah sie aus rot geränderten Augen an und lächelte.
    »Rose Cunningham, hm? Gary sagte mir, du würdest Grey Skies singen. Super, ich habe dich immer gern gehört.«
    Sie musste Ja gesagt haben, denn der Keyboarder verkündete auf einmal über das Mikrofon, dass sie die Ehre hätten, sie an diesem Abend als Stargast begrüßen zu dürfen. Dann hielt sie das Mikrofon in ihrer Hand, ein zugleich vertrautes und fremdes Gefühl. Rosamund hatte unzählige Male an Orten wie diesem gesungen, aber das schien unendlich lange her zu sein. Zu einer ganz anderen Zeit, in einem anderen Leben.
    Ich mache einen Fehler, dachte sie. Ich werde ihnen sagen, es sei ein Scherz gewesen, und die Bühne verlassen.
    Aber es war zu spät. Über die Lautsprecher ertönte bereits das langsame Intro von Grey Skies, wie leise und sanft auf ein Blechdach plätschernder Regen.
    Irgendwie gelang es ihr, durch den dichten Rauch hindurch in der Ferne Garys blonden Haarschopf zu identifizieren und sich darauf zu konzentrieren. Die Musik umhüllte sie, und sie holte noch einmal tief Luft. Ihre Stimme klang tief und rauchig, und nach den ersten Tönen wurde es ruhig im Saal. Rosamund wusste, dass das manchmal wirklich so war und manchmal nur in ihrem Inneren. Doch eigentlich war ihr das egal.
    Nach der ersten Strophe kam es ihr so vor, als sei eine lange tot Geglaubte wieder zu neuem Leben erweckt worden. Nach zwei Strophen schien es ihr,

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