Der Fluch von Colonsay
Gestalten wider, die in der Türöffnung standen.
Die drei Musketiere, dachte Rosamund in einem Anflug von Humor.
»Was ist diesmal kaputtgegangen?«, fragte Gary. Er sah sie aus seinen ungewöhnlich blauen Augen direkt an. Sie musste an das denken, was Kerry über ihn erzählt hatte. Dann brauchte sie einen Augenblick, um zu begreifen, dass er die letzte Nacht meinte. Ob das Toben auf dem Dachboden einen Schaden hinterlassen hatte.
»Wir haben gar nicht nachgesehen.«
»Tja, das sollten wir dann aber mal tun.«
Dieses Mal hatte die Lampe in Rosamunds Zimmer den Angriff schadlos überstanden. Die Badezimmertür stand offen, das Wasser in der Wanne war inzwischen kalt. Rosamund schob einen Ärmel nach oben und griff hinein, um den Stöpsel zu ziehen. Dann stand sie in dem leeren Flur, während Kerry und Gary in den anderen Zimmern nachsahen. Da war noch etwas … etwas, an das sie sich erinnern musste. Ihr Blick blieb an dem Buntglasfenster am Ende des Flurs hängen. Sie blinzelte.
»Das Fenster!«, rief sie. »Es ist zersprungen. Zumindest dachte ich das.«
Gary ging mit ihr zum Fenster hinüber. Sie musterten es gründlich. Die Gläser saßen noch fest in ihrer Fassung, obwohl das Blei an manchen Stellen brüchig zu sein schien. »Sah es vorher auch schon so aus? Ich meine, mit dem fehlenden Stück und dem Riss?«, fragte er.
Kerry nickte. »Frederick Swann will es restaurieren lassen. Nächste Woche soll ein Restaurator kommen und es mit in die Werkstatt nehmen. Ich glaube, es ist ziemlich wertvoll. Früher Jugendstil oder so.« Sie klang nicht so, als entspräche das Fenster ihrer Vorstellung von Kunst.
Rosamund hörte sie kaum. Sie hatte gesehen, wie das Fenster in tausend Teile zersprang, oder etwa nicht? Anscheinend konnte sie im Moment ihren eigenen Augen nicht mehr trauen. Vielleicht hatte sie sich überhaupt alles eingebildet, was bisher geschehen war. Vielleicht erlitt sie gerade einen Nervenzusammenbruch, wie Gary vor einiger Zeit. Wie viel sollte sie ihm erzählen? Wie viel von sich durfte sie preisgeben?
Gary beobachtete sie. »Ich denke, wir sollten über alles sprechen. Jetzt. Noch heute Abend«, sagte er, als ob er ihre Gedanken lesen könnte.
Rosamund schüttelte den Kopf und wich seinem Blick aus. »Was soll das Reden bringen? Ich bin müde.« Plötzlich wurde ihr klar, dass sie wirklich total erschöpft war. Ihre Beine zitterten, und sie konnte sich kaum noch auf den Füßen halten. Außerdem hatte sie Kopfschmerzen. Sie musste schlafen – und nachdenken.
Mit neugierigen Blicken beäugte Gary sie. »Morgen ist Sonntag«, sagte er. »Ruhetag. Keine Arbeiter in Colonsay. Wir unterhalten uns morgen.«
Das klang fast wie eine Drohung. »Wann auch immer«, seufzte sie und drückte sich an ihm vorbei Richtung Schlafzimmer. »Ich muss jetzt ins Bett.«
Sie hörte den Widerhall der Stimmen noch lange draußen im Flur, nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte. In voller Montur hatte sie sich einfach aufs Bett geworfen. Kurz bevor sie entschlummerte, hörte sie ein leises Kratzen in der Nähe ihrer Tür. »Mäuse«, murmelte sie, zu müde, die Augen zu öffnen.
Ohne einen Besuch in irgendwelchen Särgen fiel sie übergangslos ins traumlose Nichts.
»Fang einfach am Anfang an.«
Gary blickte sie erwartungsvoll an. Hinter ihm stand Kerry, machte Rühreier und sah Rosamund ebenfalls an.
Vorsicht, schien ihr Blick zu sagen. Erinnere dich an das, was ich dir erzählt habe. Gary Munro ist nicht der Fels in der Brandung, der er zu sein scheint.
»Ich denke, du solltest anfangen.« Rosamund schloss beide Hände fest um ihren Kaffeebecher. Ihre Zigaretten lagen auf dem Tisch, doch sie verspürte kein Bedürfnis, sich eine anzustecken. Ihr war ein bisschen übel, und ihre Muskeln schmerzten wie nach einem anstrengenden Training. Vielleicht wurde sie krank.
»Ich? O nein. Ich muss zuerst hören, was du zu sagen hast. Ich will vermeiden, dass meine Geschichte das verfälscht, was du erzählst.«
»Ich könnte dasselbe sagen. Wie soll ich wissen, ob du deine Geschichte nicht so abänderst, dass sie zu meiner passt?«
Gary lachte ungläubig. »Was sollte ich davon haben?«
»Du bist Schriftsteller. Schriftsteller erfinden Geschichten. Vielleicht schreibst du ja gerade ein Buch über ein Geisterhaus. Die wahre Geschichte Colonsays im Stil von The Amityville Horror. Vielleicht kannst du auch Einbildung und Wirklichkeit nicht auseinanderhalten. Wie soll ich das wissen?«
»Du glaubst also,
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