Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Fluch von Colonsay

Titel: Der Fluch von Colonsay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaye Dobbie
Vom Netzwerk:
gewesen sind«, fuhr er fort. »Aber ich möchte jetzt dein Freund sein.«
    Er streckte seine geöffnete Hand über den Tisch, und Rosamund ergriff sie. Sie fühlte sich verzaubert von seinen Augen und der Vorstellung, endlich jemanden an ihrer Seite zu haben. Seine Finger schlossen sich um ihre. Die Hand fühlte sich stark und warm an, die Haut schwielig und trocken. Ein Schauder überlief sie, den sie aber eher als angenehm empfand.
    Kerry stand auf einmal mit zwei Tellern und ausdrucksloser Miene vor ihnen. Sie mied Rosamunds Blick. »Ihr solltet etwas essen«, sagte sie mit fester Stimme.
    Nach einem Mahl aus Eiern, Toast und Kaffee gingen Gary und Rosamund hinaus in den Garten. Die Sonne wärmte, die Luft war ruhig. Die Bienen summten in den Blüten, und die Vögel flogen Angriffe auf die Zwergmispeln, um sich an den roten Beeren gütlich zu tun. Nach der ganzen Unruhe, die die Bauarbeiten mit sich gebracht hatten, lag eine wundervolle Ruhe über Colonsay. Gelegentlich in der Ferne vorbeifahrende Autos oder das Brummen eines Flugzeugs waren die einzigen künstlichen Geräusche.
    Rosamund zündete sich eine Zigarette an. Das Nikotin half ihr zum einen beim Denken und beruhigte zum anderen ihre Nerven. Ach herrje, würde sie denn niemals damit aufhören können?
    Drinnen klapperten die Pfannen. Kerry beschäftigte sich schon mit den Vorbereitungen zum Mittagessen. Rosamund hatte sie überreden wollen, sich ihnen anzuschließen, doch sie wollte ganz offensichtlich nicht. Das Gerede über die Vorfälle in Colonsay machte sie nervös. Sie glaubte nicht an Übersinnliches – wollte nicht daran glauben. Rosamund hoffte sehr, dass sie und Gary wenigstens zu denselben Schlüssen kommen würden.
    »Stimmen«, sagte sie schließlich. »Und dann der Lärm auf dem Dachboden, das Krachen. Immer abends oder in der Nacht. Vielleicht hängt das mit der Dunkelheit zusammen. Eine schreckliche eisige Kälte, die mir bis in die Knochen dringt. Wie in einer dieser Horrorgeschichten. Sie kommt immer zusammen mit dem Krachen. Einmal habe ich auch Schritte im Keller gehört. Und ich habe ein Mädchen gesehen, an einem der Fenster im Hinterzimmer.«
    »Hängen diese Ereignisse irgendwie zusammen?« Gary beobachtete ihren Gesichtsausdruck. »Gibt es vielleicht etwas, das in allen Fällen unmittelbar vorher geschieht?«
    Rosamund schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Ich würde sagen, dass alles begann, nachdem Fred den Dachboden ausgeräumt hatte. Nur die Stimme, die habe ich schon vorher gehört.«
    »Die Stimme? Du hast bisher von mehreren Stimmen gesprochen.«
    »Habe ich das? Macht das einen Unterschied?« Es machte einen Unterschied, und sie wusste das. Sie wollte nur nicht darüber nachdenken, da verhielt sie sich nicht anders als Kerry. Irgendwie verspürte sie die kindliche Furcht. Darüber zu sprechen würde alles nur noch schlimmer machen.
    »Was sagt die Stimme?«
    Rosamund zog an ihrer Zigarette, bevor sie antwortete. »Rosie«, sagte sie schließlich. »Aber nicht einfach so. Es ist mehr wie ein Schrei, ein Flehen. Verstehst du, was ich meine? Wer auch immer das sagt … sagte, hört sich irgendwie gequält an, gepeinigt. Es klingt nicht unbedingt nach körperlichem Schmerz, eher nach seelischer Qual.«
    Sie blickte ihn von der Seite an, um zu sehen, ob er sich über sie amüsierte. Tat er nicht. Er starrte, tief in Gedanken versunken, auf seine Schuhe. Dann fragte er sie nach dem Mädchen. Sie beschrieb ihm, so gut sie irgend konnte, das lange braune Haar und die altmodische Kleidung. Und sie beschrieb ihm das Gefühl, das sie bei dem Zusammentreffen gehabt hatte – als würde sie einem lebendigen Wesen gegenüberstehen und nicht einem unbelebten Trugbild aus einer längst vergangenen Zeit.
    Gary hob sein Gesicht zur Sonne. Sie schien auf sein Haar, ließ zwischen den goldenen Locken silberne Strähnen aufblitzen. Rosamund wartete ab und beobachtete ihn. Seine Jeans hatte ein Loch am Knie, war aber sauber. Sein T-Shirt war nicht gebügelt, doch es sah frisch gewaschen aus, und die Farbe stand ihm. Er war völlig anders als Mark, der Perfektionist.
    Rosamund merkte, dass Gary sie ansah. Er lächelte, und unwillkürlich lächelte sie zurück.
    »Also gut«, sagte er. »Kommen wir zu Enderby. Mein Großvater ist von Colonsay fasziniert. Warum, weiß ich nicht. Nur, dass es dabei nicht nur um die geschichtlichen Fakten geht. Er besitzt viele Alben voll mit Zeitungsausschnitten über deine Familie, die zum Teil schon sehr

Weitere Kostenlose Bücher