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Der Fluch von Colonsay

Titel: Der Fluch von Colonsay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaye Dobbie
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»Kerry, was ist geschehen?«
    Die ältere Frau umklammerte Rosamund wie eine Ertrinkende. Sie zitterte am ganzen Körper; sogar ihre Zähne klapperten aufeinander. Ihre Hände fühlten sich eiskalt und steif an. »Da war jemand«, keuchte sie. »Ich hörte jemanden rufen. Aber als ich unten war, ging das Licht aus. Die Tür war auf einmal verschlossen, ich konnte nicht mehr raus.« Der schrille Ausbruch endete in einem verzweifelten Schluchzen.
    Gary tippte auf Rosamunds Schulter. »Ich trage sie rauf«, schlug er vor.
    Sie bekamen Kerry irgendwie die Stiege hoch und in die Vorhalle. Sogar als sie endlich vor einer heißen Tasse Tee mit Brandy auf einem Stuhl in der Küche saß, zitterte sie noch. Gary hielt ihr die Tasse an die Lippen, aber sie konnte kaum trinken. Das meiste ging daneben.
    »Wen hast du gehört?«, fragte Rosamund schließlich, obwohl sie wusste, dass das wahrscheinlich nicht gut war. Doch sie konnte sich nicht zurückhalten.
    Kerry versuchte krampfhaft, den Tee hinunterzubekommen, und verschluckte sich prompt. Nach dem Hustenanfall schien es ihr besser zu gehen. Auf jeden Fall hatte sie etwas Farbe im Gesicht. Sie sah mit tränennassen Augen auf.
    »Wen haben Sie im Keller gehört?«, wiederholte Gary, seinen Arm um ihre Schulter gelegt.
    Kerry sah Rosamund mit zitternden Lippen an. »Das warst du, Rosamund. Niemand sonst hätte mich dort hinuntergebracht. Ich habe dich gehört, deine Stimme.«

13
    Der Schlag war so leise, dass ihn Rosamund zunächst einem Ast an der Hauswand zuschrieb. Aber in Colonsay gab es keine Bäume, die so nah am Gebäude standen. Sie schreckte hoch, blinzelte in die Dunkelheit und hielt den Atem an. Wie lange sie geschlafen hatte, wusste sie nicht.
    Zum Abendessen hatten sie aufgewärmte Dosensuppe und Butterbrote gegessen. Danach hatte Rosamund Kerry ins Bett gebracht.
    Sie hatte versucht, durch freundliche Worte Trost zu spenden, wo es eigentlich keinen Trost gab. Gary wollte sie beide sogar für die Nacht im Hotel unterbringen, aber Kerry hatte sich geweigert. Auch Rosamund war nicht begeistert von dem Vorschlag gewesen. Wenn sie Colonsay jetzt verließ, würde sie nie mehr zurückkehren, das fühlte sie einfach.
    »Ich muss mir das eingebildet haben«, hatte Kerry zum wiederholten Male erzählt. »Wie wärst du denn dort hinuntergekommen? Ich wusste, das konntest nicht du sein, aber es hörte sich so an, und ich dachte … ich meine, ich musste doch einfach nachsehen. Um sicherzugehen.«
    »Nein, musstest du nicht«, hatte Rosamund gemurmelt und Kerry die Bettdecke bis zu den Ohren hochgezogen. Sie sah klein darunter aus, wie ein Kind mit grauen Haaren.
    »Ich muss mich geirrt haben, oder?«
    Rosamund konnte ihr darauf keine ehrliche Antwort geben.
    Kerry war sofort eingeschlafen, und Rosamund war in ihr Zimmer gegangen. Sie wollte auch gleich ins Bett, müde vom Segeln am Nachmittag. Gary hatte bleiben wollen, aber Rosamund überzeugte ihn davon, dass das nicht gut für ihn sei. Was in Colonsays Nähe mit ihm geschah, war deutlich zu erkennen. Sie konnte sich nicht um Kerry und ihn kümmern. Die beiden Frauen mussten allein zurechtkommen.
    Wieder ein Schlag, lauter diesmal. Es gab keinen Zweifel, was das zu bedeuten hatte. Rosamund stieg aus dem Bett und schlüpfte in Jeans und Pullover. Als sie an der Schlafzimmertür stand, erschütterte ein lautes Krachen das gesamte Gebäude. Aus Kerrys Zimmer ertönte ein Schrei.
    Rosamund riss ihre Tür auf. Im Korridor brannte Licht. Sie hatte die Deckenlampe angelassen. Die Glühbirne flackerte wild und erlosch. Das Herz schlug Rosamund im Hals. Beinahe hätte sie auf dem Absatz kehrtgemacht, Kerry ihrem Schicksal überlassen und wäre die Treppe hinuntergerannt. In diesem Augenblick schrie Kerry ein zweites Mal.
    Rosamund suchte sich ihren Weg im Dunkeln. Nur ein paar Schritte bis zu Kerrys Tür. Ihre Füße tappten über den ausgetretenen Läufer, und sie tastete sich mit einer Hand an der Wand entlang über das raue Papier der eingerissenen und teilweise abgelösten Tapete. Das lackierte Holz des Türstocks fühlte sich dagegen glatt unter ihren Fingerspitzen an. Sie tastete nach der Klinke und drückte sie herunter.
    Kerrys warmer, knochiger Körper prallte gegen sie, sodass sie nach hinten stolperte. Kurz wurde ihr der infernalische Lärm bewusst, der sich aus dem Zusammenklang des Krachs aus dem Dachgeschoss und Kerrys Geschrei ergab. Beim Aufprall entwich alle Luft aus ihren Lungen. Nach Atem ringend lag sie auf dem

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