Der Fluch von Melaten
Leibern immer enger ziehen wollten.
Dort warteten die Feuerhenker. Sie waren diejenigen, die den Scheiterhaufen anzündeten, wenn die Frauen an den Pfählen hingen, um Opfer der Flammen zu werden.
Es waren muskulöse Kerle mit nackten Oberkörpern, die ihre Pechfackelstäbe bereits in den kräftigen Händen hielten. Hin und wieder arbeiteten sie auch als normale Henker, wenn Menschen die Köpfe abgeschlagen wurden, aber an diesem düsteren Abend sollten sie das Reisig anzünden, das sofort Feuer fangen würde, weil es eben so trocken war.
Und noch jemand wartete.
Es war der Pfarrer, der Vertreter der Kirche. Der Geistliche, der sie noch einmal fragen würde, ob sie nicht im Angesicht des Todes dem Satan abschwören wollten.
Er war zugleich ein Mensch, dessen Doppelzüngigkeit widerlich war. Auch bei der Folter war er schon anwesend gewesen. Er hatte sie gefragt, er hatte ihnen gedroht und geschmeichelt, und er hatte sich an ihren nackten Körpern ergötzt. Bigotter und falscher konnte man nicht sein, aber der Pfarrer, der zugleich auch Mönch war, sah dies nicht so. Er ging mit Feuereifer seiner »Arbeit« nach und konnte sich damit rühmen, schon viele dieser Töchter des Teufels dem Feuer übergeben zu haben. Wer einen Menschen verdächtigte, mit dem Bösen im Bunde zu stehen, der kam oft genug zu ihm, um diese Personen zu denunzieren.
Als er den Karren sah, hob er seinen Kopf und lächelte. Er trug einen violetten Talar, aus dem der Kopf wie eine Kugel hervorschaute. Er war bis auf einen Seitenkranz dunkler Haare kahl geschoren. Ein ebenfalls dunkler Bart umwuchs den Mund und breitete sich bis über das Kinn hinweg aus. Im Gestrüpp des Bartes schimmerte das feuchte Lippenpaar, über das Hochwürden immer wieder mit der Zungenspitze leckte und dabei glänzende Augen bekam, weil er sich so auf das Ende der drei Hexen freute.
Frauen, Hexen und Hebammen!
Alles drei war für ihn schlimm, aber auch ihr Beruf. Ausgerechnet sie halfen anderen Frauen, Kinder zur Welt zu bringen, was er einfach als schrecklich empfand. Wenn die Kinder die Leiber ihrer Mütter verließen und von den Händen der Hebammen berührt wurden, erhielten sie bereits das Zeichen des Teufels. Dann waren sie ihm geweiht und wurden der Heiligen Kirche entrissen.
Es hatte lange gedauert, bis die Menschen es gemerkt hatten. Dann aber hatten sie sofort gehandelt, und nun war Köln, die Stadt am Rhein, frei von diesem Hebammen-Gesindel.
Die Pferde hielten an. Niemand brauchte sie zu zügeln. Sie wussten genau Bescheid und senkten ihre Köpfe, als würden sie sich dafür schämen, die Frauen an den Platz ihres Todes gebracht zu haben.
Die Zuschauer schrien. Sie brüllten. Sie schimpften. Sie drohten wieder. Sie spuckten, und wären die Menschen nicht zurückgehalten worden, hätten sie sich auf die Frauen gestürzt und sie zu Tode geprügelt.
Zwei Soldaten hatten inzwischen die Klappe am Heck des Wagens geöffnet. Jetzt konnten die Hebammen den Käfig verlassen, und niemand half ihnen dabei.
Durch die Fesseln waren sie in ihren Bewegungen eingeschränkt. Sie konnten nicht aufrecht stehen, und so krochen sie aus dem Käfig hervor, wobei sie sich gegenseitig zogen und manchmal auch umwarfen. Die Menschen hatten ihren Spaß, und sogar der Pfarrer konnte sich das Lächeln nicht verkneifen, wurde aber sehr schnell wieder ernst, als einer der Soldaten in seine Nähe trat.
Der Haufen aus Reisig war nicht voll um die drei Pfähle geschlossen. Es war ein schmaler Pfad offen gelassen worden, um den Weg zu den Pfählen frei zu lassen. Durch ihn wurden die drei Frauen geschafft, gezerrt, gezogen oder geprügelt.
Es bedurfte dreier Helfer, um sie auf die Beine zu ziehen, auch dann standen sie noch krumm, weil die Fesseln eben an so unterschiedlichen Stellen angebracht worden waren.
Die Schergen wollten sie wegziehen, aber die schroffe Armbewegung des Vertreters der Heiligen Kirche stoppte sie.
»Was ist, Hochwürden?«
Der Geistliche trat näher. »Ich will noch mit ihnen sprechen. Vielleicht haben sie es eingesehen und schwören dem Teufel ab, wobei sie gleichzeitig ihre Sünden bereuen.«
»Bitte, Hochwürden!«
Auf dem Gesicht des Geistlichen erschien ein hinterlistiges Lächeln. Er war innerlich um einiges gewachsen, denn er fühlte sich jetzt wie ein Großinquisitor aus Spanien, bei dem die Heilige Inquisition noch höher im Kurs stand.
Die drei Hebammen waren für Frauen recht groß gewachsen. Trotz ihrer perfiden Fesselung sahen sie nicht aus
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