Der Fluch von Melaten
glauben konnte sie es immer noch nicht, wobei ich ihr auch keinen Vorwurf machte, denn jenseits der normalen Existenz verbargen sich viele Dinge, die rational oft nicht zu fassen waren. Zwischen dem Rationalen und dem Irrationalen eine Brücke zu bauen, das war meine Aufgabe, die ich schon seit Jahren erfüllte.
In der Nähe des Hochhauses war es sehr schwierig, einen Parkplatz zu finden. Aber der Zufall war uns hold, ich fand einen, und so stiegen wir aus und ließen uns von einer warmen Abendluft umfächern. Da saßen die Menschen dann sicherlich noch bis weit in die Nacht hinein vor und in den Lokalen, mit denen eine Stadt wie Köln reichlich gesegnet ist und die es nicht nur in der Altstadt gibt, sondern auch auf den Ringen und in den Vierteln, die hier Veedel heißen.
»Wenn mir das jemand gestern gesagt hätte, ich hätte ihn für verrückt gehalten, Herr Sinclair.«
»Das kann ich nachvollziehen, aber es ist eine Tatsache.«
»Und das hier in Köln.«
»Wir hatten inzwischen den Gehsteig erreicht. »Sie sind Kölnerin und sehen das möglicherweise etwas subjektiv, aber die andere Seite, ich will sie mal so nennen, ist international. Sie macht vor keiner Stadt Halt. Ob London, Paris, Athen oder Köln. Das Land spielt für sie keine Rolle, nur die Sache.«
Petra Schlomann wechselte das Thema. »Sind Sie zum ersten Mal hier in Köln?«
»Nein, ich bin schon hier gewesen.«
»Beruflich?«
»Ja. Es ging mal um die alte Richmodis-Sage, die ebenfalls tief in die Vergangenheit reicht, und dann hat mal jemand versucht, den Kölner Dom zu zerstören.«
»Sie schwindeln!«
»Leider nicht.« Ich lächelte trotzdem. »Sie brauchen sich nicht zu sorgen. Der Dom steht noch. Alles ist glatt gegangen.«
»Und dass es so bleibt, das hoffen Sie auch jetzt?«
»Sicher.«
»Und Sie haben sich noch keine Gedanken darüber gemacht, was die drei veränderten Männer Vorhaben könnten?«
»Bewusst nicht, Frau Schlomann. Ich will mich nicht beeinflussen lassen. Durch nichts und niemanden. Ich möchte den Blick frei haben, das ist das Wichtigste im Augenblick. Nur so kommen wir weiter. Über die Pläne kann uns nur einer der Beteiligten selbst etwas sagen. Dazu müssen wir ihn haben.«
Wir gingen an Bäumen vorbei, die ihr Laub verloren. Blätter flatterten zu Boden und schimmerten auf, wenn sie mal in den Lichtkreis einer Laterne gerieten. Auch unsere Füße stießen hin und wieder in angewehtes Laub hinein, das raschelte, wenn es über den Boden hinwegschleifte.
Maria Wienand erwartete uns vor der Haustür. Sie schaute sich scheu um und gab sich erleichtert, als sie uns endlich sah. Dabei verzog sich ihr Gesicht zu einem knappen Lächeln.
»Haben Sie Ihren Mann gesehen?«, erkundigte ich mich.
»Nein.«
»Gut, dann gehen wir nach oben.« Ich schaute an der Fassade hoch, über der ein blau wirkender Himmel zu sehen war, der so gut wie keine Wolken zeigte. Aus den Fenstern streute das Licht nach draußen und bildete vor den Scheiben manchmal eine wolkige Helligkeit.
Frau Wienand schloss die Tür auf. Wir betraten einen recht breiten Flur und sahen im Licht die beiden Aufzugtüren. »Wir leben im achten Stock. Da ist es besser, wenn wir den Lift nehmen.«
Dagegen hatte niemand etwas.
Das Haus war sauber, der Aufzug ebenfalls, und eigentlich war nur Frau Wienand’s heftiges Schnaufen zu hören. Es ging ihr nicht gut. In ihrem blassen Gesicht war hin und wieder ein Zucken der Haut zu sehen, und sie gab auch zu, dass sie Angst hatte.
»Das ist ganz natürlich, Frau Wienand. Wer keine Angst kennt, der hat auch keinen Mut.«
»Stimmt. Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Aber ich könnte sehr gut darauf verzichten.«
»Das glauben wir Ihnen gern.«
Wir hatten die achte Etage erreicht, und die Tür der Kabine öffnete sich. Ich wollte auf Nummer Sicher gehen und verließ den Lift als Erster. Eine Gefahr lauerte nicht auf uns. Der Flur lag leer vor meinen Augen, wie ich im Licht der Deckenleuchten erkannte. Da gab es überhaupt keine Probleme. Es herrschte auch keine Stille, die etwaige Beklemmungen bei uns ausgelöst hätte. Hier lief das Leben normal ab, und hinter den verschiedenen Wohnungstüren waren Stimmen zu hören. Hin und wieder auch mal Musik. Kein Grund zur Panik.
Maria Wienand ging vor. Auf dem Steinboden hinterließen ihre und unsere Schritte Echos. Drei Türen passierte sie, und vor der vierten blieb sie stehen und kramte einen Schlüssel hervor.
Als er im Schloss steckte und sie ihn drehte,
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