Der Flug der Adler
Ordensspangen an. »Bei dir scheint's ja auch nicht schlecht zu laufen.« Er zog einen Stuhl heran und nahm sein Zigarettenetui heraus. »Da wären wir also wieder vereint, Bruderherz.« Er gab Harry eine Zigarette und Feuer. »Nur Tarquin fehlt. Wie geht's dem alten Jungen?«
»Besser, du fragt nicht«, sagte Harry. »Auf jedem Einsatz, den ich geflogen bin, war er im Cockpit dabei. Die ganze Luftschlacht um England über. Als ich über der Isle auf Wight abspringen mußte, ist Tarquin mitgesprungen. Zweimal ins Meer.«
»Und was ist diesmal passiert?«
»Sie haben mich volle Kanone abgeschossen, und ich habe auf dem Weg nach unten die Baumwipfel rasiert.« Harry zuckte die Achseln. »Die Lysander ist auseinandergebrochen und dann in Flammen aufgegangen. Ich war ganz benommen. Ich weiß noch, wie ich die Tasche gepackt habe, bevor ich rausgehechtet bin. Meine Fliegerjacke stand in Flammen. Gerechterweise muß ich zugeben, daß diese SS-Leute echte Retter in der Not waren. Als sie mich gerade wegschleppten, ist die Lysander explodiert.«
»Und Tarquin mit ihr?«
»Allem Anschein nach, ja. Er war mein Glücksbringer, Max, aber jetzt ist er weg.«
»Red keinen Unsinn. Du warst dein eigenes Glück, Ein großer Pilot.« Max lächelte. »Fast so gut wie ich.« Er zuckte die Achseln. »Dennoch, ich werde Bubi bitten, die Gegend von ein paar seiner Männer absuchen zu lassen«.
»Wo wir gerade von Hartmann reden. Welche Rolle spielt er eigentlich bei der ganzen Sache?«
»Oh, wir sind in den alten Zeiten zusammen in Frankreich
geflogen, als er noch bei der Luftwaffe war.«
Max fuhr fort und erzählte ihm die ga nze Geschichte. Als er damit fertig war, fügte er noch hinzu: »Es stimmt, was er sagt. Er ist Himmler ebenso ausgeliefert wie wir.«
Er ging ans Fenster und spähte hinaus, und Harry sagte: »Was soll nun geschehen?«
»Ich weiß es nicht. Ich werde mir anhören, was Bubi morgen früh zu sagen hat. Wir werden sehen.«
»Du meinst, du erwägst, diese Sache tatsächlich durchzuziehen? Eisenhower umzubringen?«
Max wandte sich um. »Er bedeutet mir nichts, Harry. Er ist auf der anderen Seite. Ich habe eine Menge Menschen ge tötet, genau wie du. So was nennt man Krieg.«
»Meinetwegen, aber da gibt es immer noch einen Unterschied. Was, wenn ich mir diesen Schuh anziehen müßte und sie von mir wollten, Himmler zu ermorden, dieses NaziSchwein?«
»Für die Menschen in Amerika und England bin auch ich ein Nazi-Schwein.«
»Das bist du nicht, verdammt noch mal. Du bist nicht Mitglied der Nazi-Partei. Wie viele andere bist du da mir nichts, dir nichts reingeraten, als Hitler das Land in den Krieg geführt hat. Ihr hattet doch gar keine Wahl.«
»Ach, wir hatten alle eine Wahl. Nur daß wir sie nicht getroffen haben, und dann war's zu spät.« Max ging zur Tür und drehte sich noch einmal um. »Diese junge Frau, diese Ärztin? Liebst du sie?«
»Sie liebt mich. Ich weiß eigentlich gar nicht, was Liebe ist.
Das herauszufinden, hat mir irgendwie die Zeit gefehlt. Hauptsächlich blieb es bei der einen oder anderen Bettgeschichte. Du weißt, wie das ist.«
»Ich fürchte, ja. Ist das Leben nicht ein Dreck?« Max öffnete
die Tür. »Bis morgen früh.«
Joel Rodrigues wartete wie befohlen am Haupteingang des Lissaboner Flughafens. Es regnete in Strömen, und nach dem Flug von Berlin in einer Me 110, einem zweimotorigen Kampfflugzeug, das mittlerweile häufig für Kurierflüge eingesetzt wurde, war ihm hundeübel. Es war ihm nicht die Möglichkeit gegeben worden, seine Familie zu sehen. All dies paßte ihm nicht, ganz und gar nicht.
Eine schwarze Limousine fuhr vor. Der Chauffeur stieg aus und öffnete die hintere Wagentür, und ein junger Mann mit schwarzem Mantel kam auf ihn zu. Er hatte dünne Lippen und dunkle, glühende Augen. Er hieß Romão und hatte Joel bereits bei seiner Ankunft begrüßt.
»Da sind Sie ja, Rodrigues. Der Minister möchte Sie kurz sprechen.«
Joel hastete ihm hinterher. Das hintere Fenster wurde heruntergekurbelt, und Nunes da Silva blickte hinaus. Sein weißes Haar wirkte im Lampenlicht ganz silbern, und aus seinem zerschrumpften Gesicht spähten blasse Augen.
»Sie sind also Rodrigues.«
»Ja, Herr Minister.«
»Sie wissen, was Sie zu tun haben?«
»Ja, Herr Minister.«
»Ich weiß nichts über die Anweisungen, die Reichsführer Himmler Ihnen gegeben hat, und das will ich auch nicht.
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