Der Flug der Adler
Sie reisen als Botschaftskurier nach London weiter und setzen sich mit Ihrem Bruder in Verbindung. Rodrigues, Sie und Ihr Bruder, Sie sind gierige kleine Wichte. Sie haben sich die Sache selbst eingebrockt.«
»Aber wie lange soll ich dort bleiben, Herr Minister?«
»Bis Sie von mir hören.« Da Silva wandte sich um und fragte
Romao: »Wann geht der Flug?«
»Um ein Uhr nachts, Herr Minister, eine Dakota der TAP. Die fliegen lieber bei Nacht. Die Deutschen sind gründlich und bestens organisiert, aber auch sie machen Fehler.«
»Sehen Sie, Rodrigues?« sagte da Silva. »Sie könnten am Ende über dem Golf von Biskaya abstürzen, und es würde Ihnen ganz recht geschehen. Begleiten Sie ihn zum Abflug, Romao, und dann kommen Sie zu mir in die Wohnung.« Er kurbelte das Fenster hoch, und die Limousine fuhr davon.
Rodrigues ging zum Eingang zurück und nahm seinen Koffer.
»Ist er nicht ein richtiger alter, gemeiner Sack?« sagte Romao. »Und trotzdem, er hat nicht unrecht. Erst neulich wurde ein Passagierflugzeug abgeschossen, in dem ausgerechnet Leslie Howard saß. Sie wissen schon, der Filmstar.«
»Vielen Dank.«
»Wenn Sie Glück haben, sind Sie zum Frühstück in London. Wundervolle Stadt, und die Engländer gewinnen den Krieg.« Er lächelte. »Ich würde natürlich immer abstreiten, daß ich das gesagt habe.«
Wie dem auch sein mochte, der Flug war schlimm. Über der Biskaya tobten Gewitter. Die Dakota war randvoll, jeder Platz besetzt. Viele Leute wurden luftkrank, und der Geruch in der Kabine ließ einiges zu wünschen übrig. Irgendwie überlebte Joel, ein Umstand, den er vor allem der halben Flasche Brandy zu verdanken hatte, die er sich in weiser Voraussicht in die Tasche gesteckt hatte.
Auf dem Flughafen von Croydon stand er in einer Schlange, um Zoll und Ausweiskontrolle zu passieren, und plötzlich bemerkte er seinen Bruder, der ihm auf der anderen Seite der Absperrung zuwinkte. Joel winkte zurück und gelangte schließlich an den Anfang der Schlange.
»Ausweise, Sir«, sagte der Beamte.
Joel reichte ihm die verlangten Papiere. »Ich genieße diplomatische Immunität. Ich bin auf dem Weg zur portugiesischen Botschaft hier.«
»Ich verstehe, Sir«, sagte der Beamte und überprüfte dann eingehend den Paß.
Oft sind es gerade die kleinen Dinge im Leben, die den Keim des Untergangs in sich tragen, denn Joel Rodrigues hatte sich einen schweren Schnitzer geleistet, den andere – Himmler, da Silva und Romao – hätten ahnen müssen. In seinem Paß befanden sich ein Ein- und Ausreisestempel für Berlin.
Der Sicherheitsdienst von Scotland Yard hatte stets einen Mann am Flughafen. Zufällig führte an jenem Morgen gerade Detective Chief Inspector Sean Riley seine allwöchentliche Kontrolle durch und stand nur unweit entfernt – ein großer Londoner Ire, dessen Wange von einer Narbe überzogen war, die von einer zerbrochenen Flasche stammte.
Der Zollbeamte nickte, und Riley trat vor. Er nahm den Ausweis nicht in die Hand, sondern warf einfach nur einen Blick darauf, und nachdem er in Sekundenschnelle alles gesehen hatte, blickte er wieder auf und lächelte. »Willkommen in London, Sir.«
Joel ging durch die Absperrung und umarmte seinen Bruder. »Mein Wagen wartet auf uns«, sagte Fernando und nahm den Koffer seines Bruders.
Als sie gingen, winkte Riley einen jungen Mann, der einen schäbigen Regenmantel trug, herbei. »Ihre Chance, es zum Sergeant zu bringen, Lacey. Sie folgen den beiden bis ans Ende der Welt.«
»Mit Vergnügen, Chief Inspector«, sagte Lacey und heftete sich den Portugiesen an die Fersen.
Der britische Geheimdienst hat sich von den Nachrichtendiensten anderer Länder stets in einem wesentlichen Punkt unterschieden. Seine Agenten sind nicht bevollmächtigt, Festnahmen durchzuführen. Sie arbeiten daher eng mit dem Sicherheitsdienst des Scotland Yard zusammen. Zufällig arbeitete Riley regelmäßig Munro und der Abteilung D der SOE zu. Es war acht Uhr dreißig, als er in der Baker Street anrief. Jack Carter ging an den Apparat.
Riley klärte ihn über Rodrigues auf. »Die Sache ist die«, sagte
er. »Ein Wagen der portugiesischen Botschaft hat bereitgestanden, und Lacey, mein kleiner Assistent, hat gehört, wie der Chauffeur den anderen Mann ebenfalls Rodrigues genannt hat.«
»Wirklich?« sagte Jack Carter. »Das ist ja interessant. Sons t noch was?«
»Ja, sie haben kurz in einer Wohnung in der Nähe
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