Der Flug der Adler
Sie habe ich
nicht.« Er nahm ihre Hand. »Heiraten Sie mich, Elsa. Sie
wissen genau, daß ich nicht lockerlassen werde, bis Sie mir Ihr
Jawort gegeben haben.«
Irgendwann willigte sie dann ein,
hatte aber noch gewisse Bedenken. »Was ist mit deinem Vater.
Solltest du nicht zuerst mit ihm sprechen?«
»Ach, ein Brief in die Staaten
und zurück würde zu lange dauern. Außerdem ist einer
der vielen Vorzüge meines Vaters, daß er ein Snob ist. Er
wird ganz hingerissen von dir sein, wie überhaupt die ganze
Bostoner Gesellschaft. Wir wollen keine Zeit verlieren. Es gibt hier im
Ort einen Geistlichen. Er kann uns jederzeit seinen Segen geben.«
»O Jack, du bist richtig verrückt.«
»Deutschland wird den Krieg
verlieren, Elsa. Dich erwartet dort nichts außer ein verfallendes
Gut und völlige Mittellosigkeit. Ich werde mich um dich
kümmern, das verspreche ich.« Er nahm ihre Hand.
»Komm, es wird schön werden. Vertraue mir.«
Sie verlobten sich also, und zwei
Tage später heirateten sie. Letztlich behielt er recht: Sie hatte
tatsächlich vor dem Nichts gestanden.
Die Flitterwochen in Paris verliefen harmonisch,
nicht die größte Liebesromanze aller Zeiten, aber er war
sich ja immer bewußt, daß sie ihn nicht aus Liebe
geheiratet hatte. Seine Verwundung hatte ihm ein stark hinkendes Bein
beschert, das der Behandlung bedurfte, und sie ließ sich an ein
Rotkreuzlazarett in Paris versetzen. Es dauerte nicht lange, da war sie
bereits schwanger. Kelso bestand darauf, daß sie in die Staaten
ging.
»Unser Kind muß zu Hause zur Welt kommen. Darüber lasse ich nicht mir mir reden.«
»Du könntest doch
mitkommen, Jack. Dein Bein bereitet dir immer noch Probleme, und ich
habe Colonel Carstairs gefragt. Er hat gesagt, daß man dich vom
Dienst befreien wird, wenn du darum bittest.«
»Du hast was getan?
Elsa, tu so was bitte nie wieder.« Einen Moment lang wirkte er
wie völlig verwandelt, und der Krieger, der fünfzehn deutsche
Kampfflugzeuge abgeschossen hatte, kam zum Vorschein … Aber dann
lächelte er und war wieder der schneidige Jack Kelso. »Der
Krieg muß immer noch gewonnen werden, meine Liebste, aber jetzt,
wo Amerika eingetreten ist, wird es nicht mehr lange dauern. Dir wird
es dort drüben gutgehen. Und mein alter Herr wird von dir hellauf
begeistert sein.«
Sie folgte also seinem Wunsch und
schiffte sich nach Amerika ein, wo Abe Kelso sie tatsächlich mit
großer Begeisterung empfing. Ihr Debüt in der Gesellschaft
verlief höchst erfolgreich, und nichts war zu gut für sie,
insbesondere nachdem sie niedergekommen war und Zwillinge zur Welt
gebracht hatte. Den Erstgeborenen nannte sie Max, nach ihrem Vater; den
zweiten Harry, nach Abes Vater.
Jack Kelso erreichte die Nachricht via Telegraph an
der westlichen Front. Er hatte sich entschieden, im Fliegerkorps zu
verbleiben, statt zu den Amerikanern zu wechseln. Er war inzwischen zum
Oberstleutnant befördert worden, einer der wenigen alten Hasen,
die noch dabei waren, denn die Verluste auf beiden Seiten waren im, wie
sich herausstellen sollte, letzten Jahr des Krieges geradezu verheerend
gewesen. Und dann, plötzlich, war alles vorbei.
Jack Kelso, dürr, abgehärmt
und frühzeitig gealtert, stand, kurz nachdem er in Boston
angekommen war, in Uniform im Schlafzimmer der Jungen und sah ihnen
beim Schlafen zu. Elsa lehnte ein wenig verängstigt am
Türrahmen und sah einen Fremden vor sich.
»Großartig«, sagte er. »Sie sehen großartig aus. Gehen wir runter.«
Abe Kelso stand in dem
prächtigen Salon am Kamin. Er war größer als Jack, sein
Haar dunkler, hatte aber die gleichen Gesichtszüge.
»Mein Gott, Jack.« Er
nahm zwei Gläser Champagner und reichte sie den beiden. »Ich
habe noch nie so viele Orden auf einem Haufen gesehen.«
»Jede Menge Blech.« Sein Sohn trank den Champagner in einem Zug aus.
»War das vergangene Jahr schlimm?« fragte Abe, während er Jack nachschenkte.
»Ziemlich, obwohl ich es
vermeiden konnte, abgeschossen zu werden. Alle hat's erwischt, nur mich
nicht.« Jack Kelsos Lächeln war beängstigend.
»So was sagt man nicht«, rügte ihn seine Frau.
»Stimmt aber.« Er
zündete sich eine Zigarette an. »Die Jungen haben ja ganz
blondes Haar. Beinahe weiß.« Er blies Rauch aus.
»Sie sind schließlich zur Hälfte Deutsche.«
»Nicht ihre Schuld«,
sagte er. »Übrigens, wollt ihr meine persönliche
Abschußquote wissen? Sie lag zuletzt bei
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