Der Flug der Adler
ich verdient, Herr Brigadegeneral.«
»Zurück nach Croydon. Ich lasse Sie holen, wenn ich Sie brauche. – Morgen, Julie. Ich nehme den Jeep. Kümmern Sie sich bitte um den Oberstleutnant«, und damit kletterte er hinters Steuer und brauste davon.
In der Kantine, bei einem Tee und einer Zigarette, fragte Harry Julie: »Was ist hier passiert? Munro wollte mir nichts sagen.«
»Die Junkers und das Torpedoboot sind bei einem Einsatz verlorengegangen«, sagte sie. »Mehr kann ich nicht sagen.«
»Ist der Krieg nicht die Hölle?« Harry stand auf. »Ich mache mich jetzt lieber auf den Weg.«
»Ist ziemlich neblig. Sollten Sie nicht vielleicht warten?«
»Wenn ich muß, wandle ich sogar auf Wasser, Julie. Wußten Sie das nicht?« Er stieg in die Lysander, zündete, hob rasch ab, und einen Moment später war schon nichts mehr von ihm zu sehen.
Sie blieb noch längere Zeit dort unten stehen, dann wandte sie sich um und ging.
9
An einem der folgenden Tage fand Abe Kelso sich wieder beim Präsidenten im Oval Office ein. Diesmal war es am Vormittag, ein schöner, sonniger Tag, und die Atmosphäre war ganz anders als beim vorigen Mal.
»Wird bald Zeit, Abe«, sagte Roosevelt zu ihm. »Eine Woche noch, nicht länger. Winston ist damit einverstanden, Sie zu empfangen. Hören Sie sich an, was er zu sagen hat, hören Sie sich alle an – Ike, Montgomery, Patton, die ganze Truppe. Ich will von Ihnen nur eine ehrliche, unvoreingenommene Meinung darüber, wie die alle die Invasion des europäischen Kontinents beurteilen.«
»Ich werde mein Bestes tun, Mr. President.«
Roosevelt steckte eine weitere Zigarette in seine Spitze. »Diese Bombardierung von London, der ›Kleine Blitz‹: Scheint ja Gott sei Dank zu einem Ende gekommen zu sein.«
»Sieht ganz so aus. Dem Kriegsministerium zufolge waren nie mehr als sechzig oder siebzig Flugzeuge gleichzeitig im Einsatz«, sagte Abe. »Erhebliche Schäden und viele Tote zwar, aber nicht in dem Ausmaß wie früher.«
»Das mag ja sein, aber aus dem Bericht, den ich von unseren Nachrichtenleuten erhalten habe, geht hervor, daß die braven Bürger Londons langsam ziemlich ungeduldig werden. Sie wollen Taten sehen. Sie dürfen eines nicht vergessen: Die Briten befinden sich bereits seit neununddreißig im Krieg. Und dann noch etwas – dieses Nazi-Raketenprogramm, diese Fernlenkgeschosse, von deren Bau wir wissen. Erstellen sie mir darüber einen zusammenfassenden Bericht. Ich will wissen, was die Leute sagen, aber es ist Ihre Meinung darüber, an der mir wirklich was liegt.«
Abe lächelte. »Mit anderen Worten, was die Politiker und die
hohen Tiere drüben in Wahrheit denken.«
»Genau.« Der Präsident lächelte. »Dann mal los, Abe. Ich weiß, daß ich mich auf Sie verlassen kann.«
Als er später an jenem Abend in einer Flying Fortress auf dem Weg zur 8. Air Force in England die Küste Neuenglands überquerte, machte Abe es sich mit den Armeedecken und kopfkissen bequem, mit denen die Besatzung ihn versorgt hatte, und nahm von dem jungen Bordschützen einen Kaffee entgegen.
Er ließ sich noch einmal die Unterhaltung mit Roosevelt durch den Kopf gehen. Genaugenommen dachte er an nichts anderes. Er mußte alles richtig machen, so einfach war das. Wie dem auch sei, die Aussicht, ein paar der wichtigsten Leute der alliierten Kriegsbemühungen von Angesicht zu Angesicht kennenzulernen, erfüllte ihn mit Freude – aber auch mit einer gewissen Angst.
Nach ein paar Stunden kam einer der Piloten, ein junger Lieutenant namens Miller, mit einer Thermosflasche Kaffee vorbei und setzte sich zu ihm. Miller schenkte zwei Tassen ein und reichte eine davon Abe.
»Tut mir leid, ist nicht gerade bequem hier, Herr Senator. Sie werden nicht allzu vertraut mit Militärflügen sein.«
Beinahe ohne nachzudenken, erwiderte Abe: »Ich persönlich vielleicht nicht, aber es liegt in der Familie. Mein Sohn ist im letzten Weltkrieg als Kampfpilot für die Briten geflogen.« Er zögerte – und ließ Max schließlich aus der Gleichung heraus. »Und mein Enkel ist jetzt Kampfpilot bei der RAF.«
»Bei der RAF? Sollte er dann nicht mittlerweile mit uns fliegen?«
»Ja, das sollte er, lautet darauf die Antwort«, sagte Abe. »Aber er scheint ein ziemlicher Dickkopf zu sein.«
Miller lachte. »Typisch Kampfpilot – ein seltsames Volk.
Wissen Sie, wie man die Bomberpiloten nennt? Lastwagenfahrer!«
»Da fällt mir
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