Der Flug der Stoerche
bei der Vorstellung von Max Böhm, der um seines eigenen Überlebens willen seinen Sohn ans Messer geliefert hatte. Mehr denn je war ich überzeugt, daß hinter dem Diamantengeschäft eine zweite Fährte verlief, daß ich einer Bande außergewöhnlicher Mörder auf der Spur war - mit denen der alte Max durch eine blutige Fessel verkettet war.
Auf dem Balkon vor meinem Zimmer trank ich meinen Tee. Um acht Uhr dreißig läutete das Telefon; es war Bonafe.
»Antioche? Sie können sich bei mir bedanken, mein Freund! Ich hab’s geschafft, am Wochenende den Minister zu erreichen und eine Gestattungsbestätigung für Sie erwirkt! Sie erwartet Sie auf dem Schreibtisch des Generalsekretärs des Ministers, abholbereit! Am besten gehen Sie sofort hin. Ab heute nachmittag, vierzehn Uhr, können Sie dann einen unserer Wagen haben. Gabriel wird Sie fahren. Er sagt Ihnen auch, was Sie an Verpflegung, Geschenken, Ausrüstung und so weiter mitnehmen müssen. Noch eins: er wird Ihnen auch einen Sack mit hundert Patronen geben, aber dabei bitte ich um Diskretion. Viel Glück!«
Er legte auf. Es war also Zeit für den Aufbruch: der Urwald erwartete mich.
Ein paar Stunden später war ich unterwegs - nicht in dem angekündigten Geländewagen, sondern einem Peugeot 404, an dessen Steuer Gabriel saß; er trug ein T-Shirt mit der Aufschrift: >AIDS. Ich schütze mich. Ich benutze Kondome.< Auf dem Rücken war eine Landkarte von Zentralafrika zu sehen, die in einem Präservativ steckte.
Gleich nach der Stadtgrenze von Bangui war die Straße durch eine Militärstreife abgeriegelt. Unordentlich gekleidete Soldaten mit grimmigen Mienen und staubigen Maschinengewehren befahlen uns anzuhalten. Sie erklärten, sie müßten >eine Überprüfung unserer Ausweise sowie eine vorschriftsmäßige Durchsuchung des Fahrzeugs vornehmem. Gabriel sprang sofort aus dem Wagen und begab sich mit den Pässen samt amtlicher Genehmigung in die Hütte. Zwei Minuten später war er wieder da, die Schranke hob sich, wir fuhren weiter. Die Wege der afrikanischen Administration sind unergründlich.
Von diesem Augenblick an breitete sich ein Fluoreszieren über die Landschaft. Zu beiden Seiten des Asphaltwegs ragten himmelhohe, lianenverwobene Bäume auf und umhüllten uns. »Das ist die einzige geteerte Straße von Zentralafrika«, erklärte Gabriel. »Sie führt nach Berengo, zum ehemaligen Kaiserpalast.« Die Sonne schien hier milder, und der Fahrtwind trug zarte und süße Düfte zu uns. Wir fuhren an stolzen Wesen vorbei, die mit der Eleganz und Anmut, wie sie nur den Schwarzen zu eigen ist, am Straßenrand einherschritten.
Wieder nahm mir der Anblick der Frauen den Atem, sie erschienen mir wie lauter Blumen, prachtvolle Blüten auf langen geschmeidigen Stielen, die sich hier und dort zwischen hohen Gräsern wiegten.
Fünfzig Kilometer weiter erwartete uns die nächste Straßensperre. Wir kamen in die Provinz Lobaye. Wieder verhandelte Gabriel um die Weiterfahrt. Ich stieg aus. Der Himmel hatte sich verdüstert, gewaltige violette Wolken trieben darüber hin. Trauben kreischender Vögel hockten in den Bäumen und schienen sich vor dem dräuenden Gewitter zu fürchten. Ringsum herrschte eine wuselnde Aufregung. Lastwagen ballten sich, fast ineinander verkeilt, Männer tranken Seite an Seite an improvisierten Theken, Frauen verkauften direkt auf der Erde Waren aller Art.
Die meisten boten lebende Raupen an, haarig und bunt, die sich in großen Wannen wanden und ineinander verschlangen. Die Frauen hockten vor ihrer Ernte und lockten mit schrillen Schreien Käufer an: »Chef, es ist Raupenzeit, Zeit des Lebens, Zeit der Vitamine .«
Der Gewittersturm kam jäh und brach mit Gewalt über uns herein. Gabriel schlug mir vor, bei seinen muslimischen Brüdern Tee zu trinken. Wir setzten uns auf eine behelfsmäßige Veranda, und ich trank meinen ersten echten Tee in Gesellschaft von Männern im weißen Burnus, auf dem Kopf die typische kleine Kappe. Minutenlang sah ich mich nur um, lauschte, bewunderte den Regen. Es war eine Begegnung voller Herzlichkeit, ein trautes Stelldichein, das im Herzen ein Gefühl von Freundschaft, Wonne und Wohlwollen hinterließ.
»Gabriel«, fragte ich nach einer Weile. »Kennst du einen gewissen Dr. M’Diaye in M’Baiki?«
»Natürlich, das ist der Bezirkspräsident«, antwortete Gabriel. »Wir müssen ihm einen Höflichkeitsbesuch abstatten. M’Diaye muß deine Genehmigung unterschreiben.«
Eine halbe Stunde später hatte der Regen
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