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Der Flug der Stoerche

Der Flug der Stoerche

Titel: Der Flug der Stoerche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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sagen, aber er war gleich wieder verschwunden. Ich habe das Geld rausgeholt und saubergemacht. Dann habe ich den Bericht so verfaßt, wie man’s von mir verlangt hatte.«
    Mir kochte das Blut in den Adern. M’Diaye starrte mich immer noch aus trüben Augen an. Ich richtete wieder die Waffe auf sein Gesicht und zischte: »Erzähl mir von der Leiche!«
    »Die Wunden ... Sie waren viel zu exakt. Das waren keine Krallenspuren, wie ich geschrieben habe. Das waren Schnitte mit dem Skalpell. Daran besteht kein Zweifel. Und vor allem fehlte das Herz. Als ich den Brustraum untersuchte, sah ich sofort, daß die Arterien und Venen sauber durchtrennt waren. Die Arbeit eines Profis. Mir war klar, daß jemand das Herz des weißen Jungen gestohlen hatte.«
    »Sprich weiter«, sagte ich mit bebender Stimme.
    »Ich habe die Leiche zugenäht und meinen Bericht fertiggestellt. Angriff durch einen Gorilla. Fall erledigt.«
    »Wieso hast du nicht eine einfachere Todesursache erfunden? Einen Anfall von Sumpffieber zum Beispiel?«
    »Unmöglich. Ich wußte, daß in Bangui Dr. Carl die Leiche sehen würde.«
    »Wo ist dieser Dr. Carl?«
    »Tot. An Typhus gestorben, vor zwei Jahren.«
    »Wie ist die Geschichte mit Philippe Böhm ausgegangen?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Wer hat deiner Ansicht nach diese mörderische Operation vorgenommen?«
    »Keine Ahnung. Jedenfalls war es ein Chirurg.«
    »Hast du Max Böhm wiedergesehen?«
    »Nie mehr.«
    »Hast du je von einer ambulanten Klinik gehört, die es mitten im Wald, jenseits der Grenze, geben soll?«
    »Nein.« M’Diaye spuckte Blut, dann wischte er sich mit dem Ärmel die Lippen ab. »Unsereiner geht nie dorthin. Da gibt es Panther, Gorillas, Geister ... Es ist die Welt der Finsternis.«
    Ich ließ ihn los, und M’Diaye fiel zu Boden. Unterdessen waren Männer und Frauen herbeigeströmt und ballten sich vor den Fenstern des Lokals, aber keiner wagte einzutreten. An der Tür stand Gabriel und flüsterte: »Man muß ihn in die Klinik bringen, Louis. Einen Arzt holen.«
    M’Diaye stützte sich auf den Ellenbogen. »Was für einen Arzt denn?« fragte er grinsend. »Der Arzt bin ich!«
    Ich sah ihn voller Verachtung an, während er einen großen roten Schwall erbrach. Ich wandte mich an die Schwarzen, die das makabre Schauspiel aufmerksam verfolgten, und schrie: »Kümmert euch doch um ihn, in Gottes Namen!«
    Wieder antwortete M’Diaye. »Und der Diesel?« gurgelte er.
    »Was für ein Diesel?«
    »Man muß den Treibstoff bezahlen - für den Stromgenerator in der Klinik.«
    Ich warf ein Bündel Geldscheine auf den Tisch, drehte mich um und ging.

35
     
    Mehrere Stunden lang fuhren mir über eine holprige Schlammstraße. Der Tag neigte sich dem Ende zu, und ein merkwürdig trockener Regen, der mehr aus Staub denn aus Wasser bestand, legte sich wie ein Schleier über die Windschutzscheibe. Endlich fragte Gabriel: »Woher weißt du von dieser Sache mit dem Weißen?«
    »Das ist eine alte Geschichte, Gabriel. Reden wir nicht mehr davon. Was immer du denkst, ich bin wegen einer Reportage über die Pygmäen hier. Das ist mein einziges Vorhaben.«
    Ein breiter Weg öffnete sich vor uns, rechts und links standen Hütten; wir waren im Dorf der SCAD. Rechts in der Ferne lagen die Gebäude des Sägewerks. Gabriel bremste, und wir fuhren im Schrittempo durch einen Strom rotbestäubter Männer und Frauen, deren Leiber mit trockenem Rascheln die Karosserie des Wagens streiften. Die Grellheit der Farben, die Schärfe der Empfindungen strengten mich an.
    Am anderen Ende des Dorfes ragten mehrere Gebäude aus Beton auf, und Gabriel erklärte: »Das ist die ehemalige Klinik von Schwester Pascale. Du kannst heute hier übernachten, bevor du morgen in den Wald gehst.«
    In den kleinen Blockhäusern standen Feldbetten, die mit Plastikfolie abgedeckt und in hohe Moskitonetze gehüllt waren mehr war nicht nötig für eine anständige Übernachtung. In der Ferne führte die rote Piste weiter, tief in den Wald hinein, der sich wie eine geschlossene Mauer erhob - nur der Einschnitt der Straße war anfangs noch zu erkennen, ihr Verlauf aber verlor sich alsbald in dem grünen Schlund.
    Gabriel und ein paar andere luden das Material aus, während ich die Umgebungskarte studierte, die Bonafe mir mitgegeben hatte. Vergeblich. In der Richtung, in die ich wollte, gab es keinerlei Pfad. Die SCAD war der letzte verzeichnete Posten kurz vor dem undurchdringlichen Dschungel, der sich mindestens fünfhundert Kilometer weit in den

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