Der Flug des Falken
sichere Gefühl, dass Exarch Redburn misstrauisch wird, sobald er jemanden seinen Idealismus verkünden hört.«
»Aber es stimmt! Was soll ich denn tun, um es zu beweisen?«
Die Kapitänin bemerkte den feuchten Glanz in den Augen ihrer Chefin und versuchte sie aufzuheitern. »Finden Sie sich damit ab, Tara C. Sie machen eine gute Figur auf den Rekrutierungsplakaten. Für die Frauen sind Sie ein leuchtendes Vorbild: Countess Tara, furchtlose Kriegerin mit einem fehlerlosen Gespür für Mode. Und für die Männer...«
»Da scheiß ich drauf! Ich hatte meine Zeit als Mo-de-püppchen, Tara B. Damals war ich ein Kind. Inzwischen bin ich erwachsen. Ich bin dreißig. Ich habe Schlachten geschlagen. Schlachten gewonnen. Außerdem...« Sie schüttelte den Kopf. »Meine Leute sind über ein Dutzend Systeme verteilt. Sie sind in Kämpfe verwickelt. Einige von ihnen werden heute noch sterben. Vielleicht sogar in diesem Augenblick, jetzt, während wir hier reden. Und mein Platz ist bei ihnen. Nicht auf einem Einkaufsbummel.«
Jadefalken-Schlachtschiff Smaragdkralle, am Sprungpunkt des Summit-Systems Lyranisches Commonwealth
4. März 3134
Bec Malthus saß in seiner dunklen Kabine, trank Cognac und hing düsteren Gedanken nach.
Inzwischen mussten die JadefalkenHandelskommissionäre auf Tharkad Haus Steiner ihr Ultimatum übergeben haben: Finger weg, sonst! Er hatte nicht den geringsten Zweifel, dass sie brutal und ungehobelt dabei aufgetreten waren. Alles in allem sind wir ein brutales und ungehobeltes Volk.
Es war keine Wertung, sondern eine simple Tatsachenfeststellung und in seinen Augen keineswegs negativ getönt. Er war vor allem auf seine Fähigkeit zu absoluter, skrupelloser Objektivität stolz, sie war für ihn der Punkt, der seine gesamte Existenz und seine Handlungen im Dienste seines Clans rechtfertigte.
Er nahm noch einen Schluck, beinahe zögernd, ließ ihn sich auf der Zunge verteilen und genoss den rauchigen Geschmack. Ihm war klar, nach den Maßstäben der Inneren Sphäre kam er ziemlich verklemmt daher, nach Clanbegriffen aber war er ein maßloser
Lebemann. Die meisten seiner Freuden verbarg er ebenso gewissenhaft vor seinen Clangenossen wie seine politischen Manöver. Doch die eine Schwäche, die er sich auch in der Öffentlichkeit gestattete, war seine Vorliebe für gutes Essen und Trinken.
Vor sich selbst hätte er seine Genüsse damit rechtfertigen können, dass schließlich niemand dem Falken derzeit bessere Dienste leistete als er. Und kaum jemand hatte es je getan. Aber er sparte sich die Mühe. Ehrlich gesagt, ihn kümmerte all das keine Prise von Turkinas heiligem Vogeldreck. Er empfand weder Schuld noch Scham. Was er vor den anderen verbarg, verbarg er, weil er wusste, dass es seinen Interessen schaden könnte, wären sie darüber informiert.
Seine Feinschmeckerei jedoch war eine annehmbar sanfte Schwäche, tatsächlich sogar eine beruhigende, da sie allgemein bekannt war und keine Gefahr lief, dem Falken oder seiner Brut Schande zu bereiten. Die bei den Clans - und insbesondere bei den Jadefalken - verbreitete Rhetorik von eisernem Willen und Entbehrung enthielt, dessen war er sich sehr bewusst, ein gutes Maß an Heuchelei. Die wenigsten erwachsenen Mitglieder der Kriegerkaste hatten nicht mindestens ein Laster - jedenfalls in der Auslegung der spartanischen Clankultur. Für die Sphäroiden waren vielmehr die so genannten Tugenden der Clans das Erschreckende.
Er grinste. Und jetzt führen ich und ein paar Kinderkrieger ein Heer von Unschuldslämmern auf eine
Mission, ein Volk zu befreien, dessen so ziemlich einzige Leidenschaft, die es verbinden könnte, der Wunsch ist, nicht den harten Gesetzen der Clans unterworfen zu werden.
Bei der Planung dieser Aktion - Monate zuvor auf Sudeten - hatten ihr die beiden Hazen-Kometen einen seltsamen Namen gegeben: Desant. In Russisch, der Muttersprache Nicholas Kerenskys, des Gründers der Clans, bedeutete er Abstieg oder Sinkflug. Doch in der Sprache des alten sowjetischen Militärs in der Ära vor dem Raumzeitalter hatte er noch eine andere Bedeutung. Er bezeichnete den Einsatz von Fallschirmjägern, in aller Regel tief hinter den feindlichen Linien.
Sowohl Aleks wie auch Malvina waren fasziniert von Militärgeschichte. Das war in sich bereits eine Abkehr von der reinen Clantradition und eine der Arten, auf die sich der Kontakt mit der Inneren Sphäre auf die Clans auswirkte, die Bec Malthus zugleich hasste und übernahm. Denn die Clans waren
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