Der Flug des Falken
haben wir Jadefalken ihnen so viele Systeme abgenommen, als die Clans vor fünfundachtzig Jahren in die Innere Sphäre zurückkehrten. Und selbst wenn sie versuchen sollten, uns abzufangen, würde sie die Verzögerung ihrer Kommunikation durch den Ausfall des HPG-Netzes dabei erheblich behindern. Schließlich kennen sie unseren Flugplan nicht. Und schließlich sind wir durch die von unserer Clanwache gesammelten Informationen davon in Kenntnis gesetzt, dass Haus Steiner selbst eine Großoffensive gegen die zersplitterten Überreste der Liga Freier Welten vorbereitet, und die Lyraner werden kaum Interesse daran haben, ihre Vorbereitungen für die Jagd auf Gespenster zu unterbrechen.«
»All das stimmt zwar, Galaxiscommander«, gestand Aleks zu. »Aber sobald wir einen kriegerischen Akt durchführen, besteht die Gefahr, dass lyranische Sprungschiffe die Nachricht in unsere Zielsysteme tragen, bevor wir dort eintreffen. Wir haben noch zwei Sprünge vor uns, bevor wir unser erstes Angriffsziel erreichen, nach Edesich und Whittington. Die Einheimischen könnten uns angreifen, während wir den Antrieb aufladen.«
Malthus schaute hinter seinem kleinen Schreibtisch aus poliertem Mahagoni zu Malvina hinüber. »Das sollen sie mal versuchen«, lachte sie. »Der alte Dol-phus Binetti würde sie dafür küssen, dass sie ihm Gelegenheit geben, Ruhm zu ernten, bevor er sie mit seinen Bordgeschützen zerbläst. Selbst wenn Galaxiscommander Malthus seinen Kriegsschiffen kein Feuer frei gibt, würden unsere Landungsschiffe und Luft/Raumjäger mit den Sphäroiden kurzen Prozess machen.«
»Wir sollten nicht vergessen, dass Porrima zum persönlichen Besitz Archon Melissa Steiners gehört«, bemerkte Aleks. »Auch wenn sie Händler sind, werden die Lyraner eine derartige Beleidigung nicht einfach hinnehmen.«
»Sie haben keine Chance, uns einzuholen«, winkte seine Koschwester ab. »Und sie sollen nur versuchen, uns zu vertreiben, wenn wir erst unseren Brückenkopf in der Inneren Sphäre haben!« Sie lachte mit einer geradezu kindlichen Begeisterung.
Aleks' sonst so dunkle Züge waren nun fahl und angespannt. »Wo liegt da die Ehre - in einem Überfall auf eine ahnungslose Welt?«
»Wenn du so fragst, wo liegt die Ehre in einem Angriff auf Chaffee?«
»Der dient einem unmittelbaren militärischen Ziel«, erwiderte er. »Dadurch dient er den vorrangigen Interessen des Clans Jadefalke - und letztlich der ganzen Menschheit.«
Malthus erhob sich träge aus dem Sessel. »Das gilt ebenso für den Überfall auf Porrima. Unsere Krieger werden ungeduldig. Sie müssen Blut schmecken. An Bord dieses Schiffes hat es wegen eines beiläufigen
Kommentars bereits einen Toten gegeben. Dieser Zwischenfall war ein Vorgeschmack darauf, was wir in Kürze noch weit häufiger erwarten können, wenn es uns nicht gelingt, den Blutdurst unserer Raubvögel zu stillen.«
Aleks ließ die Schultern hängen und blickte auf den roten Teppichboden der reich getäfelten Kabine. »Ein weiterer Zwischenfall wäre eine Katastrophe«, gab er zu.
»Endlich beweist mein prächtiger junger Komet seinen Verstand!«, verkündete Malthus. »Man schätzt dich weithin als militärisches Genie, Junge, und als wahren Jadefalken-Krieger - euch beide übrigens. Tatsächlich habe ich selbst Khanin Jana Pryde mit diesen Worten beschrieben. Und trotzdem verhältst du dich in diesem Fall so begriffsstutzig wie ein Straßenfeger.«
Einem Clanner so etwas vorzuhalten, und gar einem Jadefalken, war riskant. Aber Bec Malthus kannte sein Gegenüber.
Wie immer.
Aleks seufzte und starrte auf seine großen, kräftigen Hände, als hege er plötzlich Zweifel an seinen Fähigkeiten. »An dem, was du sagst, ist etwas dran, Galaxiscommander.«
»Was dir Probleme macht, ist keine weiche Birne«, bemerkte Malvina, »sondern ein weiches Herz.«
Er riss den Kopf hoch, und als der Blick seiner dunklen Augen auf sie traf, lag darin etwas von dem eines Falken.
»Es ist nur dein dummes Mitgefühl für die Kriecher. Du hast Skrupel, ihr kostbares Blut zu vergießen, obwohl nur der Allerbeste unter ihnen mehr wert ist als der unterste Falkenarbeiter.«
»Du tust diese >Kriecher< sehr leichtfertig ab«, konterte Aleks, »dabei leben Milliarden von ihnen in der Besatzungszone unter Jadefalken-Kontrolle.«
»Wenigstens sind sie da unter Kontrolle, statt wie Tiere herumzustreunen und sich zu bespringen.« Sie warf den Kopf zurück, sodass ihre schneeweißen Haare auf der Stirne hüpften und ihr
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