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Der Fluss

Der Fluss

Titel: Der Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Paulsen
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wei tem Bogen beinah direkt nach Osten bog, war ein kleiner Kreis eingezeichnet, mit einem Namen daneben:
    Brannock Trading Post.
    Von diesem Handelsposten zog sich eine doppelt ge strichelte Linie nach Südwesten. Als er in der Kartenle gende das Zeichen der doppelten Striche gefunden hatte, sah er, dass es eine befestigte Schotterstraße bedeutete.
    Dort mussten Menschen leben.
    Genau: In Brannocks Handelsposten, wie auf der Karte eingetragen, mussten Menschen leben! Es würde doch keine Straße geben, auch keinen Vermerk auf der Land karte, wenn dort keine Menschen wohnten. Ein Handels posten war eine Ansiedlung, in der Menschen lebten.
    Aber was nützt das? dachte Brian.
    Er war ja nicht in Brannock Trading Post. Er war hier – draußen in der Wildnis am See. Und doch kehrte sein Blick immer wieder zu diesem Punkt auf der Landkarte zurück. Die Siedlung war da, auf derselben Landkarte wie der See. Er klappte die Karte weiter auf, so dass der See und zugleich der Handelsposten zu sehen waren. Mit zwei Fingern maß er die Entfernung ab.
    Die Rasterlinien auf der Karte bedeuteten jeweils fünf Kilometer, überlegte er. Und als er die Linien zwischen dem See und Brannock Trading Post abzählte, kam er auf über sechzehn Quadrate.
    »Wie weit ist es also?«, sagte er zu Derek. »Fünf mal sechzehn – achtzig, vielleicht fünfundachtzig Kilome ter.«
    Doch das war Luftlinie – in gerader Linie nach Süd osten.
    Der Fluss aber verlief an keiner Stelle wirklich gerade. In weiten Biegungen kurvte die blaue Linie durch die Planquadrate und kehrte einmal sogar in spitzem Winkel nach Norden zurück.
    Noch einmal fing Brian an zu zählen und er maß mit den Fingern alle Flusswindungen ab, quer durch die Fünf-Kilometer-Quadrate, und machte alle zehn Kilo meter einen Strich in den Sand. Es war eine knifflige Rechnerei und dauerte, aber endlich hatte er es.
    Er zählte die Striche.
    »Einhundertfünfzig Kilometer«, sagte er. »Eine Meile sind eins Komma sechs Kilometer. Also sind es knapp hundert Meilen bis Brannock Trading Post.«
    Er schaute zu Derek hinüber, der sich nicht regte und kein Zeichen gab.
    »Da sind Menschen – kaum hundert Meilen von hier entfernt.«
    Aber was nützte das jetzt?
    »Dort ist es. Ich könnte dich hier zurücklassen und dem Flusslauf folgen und Hilfe holen«, sagte er zu Derek.
    Aber es war verrückt, dachte Brian. Hier gab es wilde Tiere. Wenn sie kamen und Derek für tot hielten? Er war doch wehrlos. Sie würden ihn angreifen, vielleicht sogar fressen. Auch das kleine Getier war gefährlich, die Käfer und Ameisen.
    »Nein, ich darf dich nicht allein lassen.«
    Wieder beugte er sich über die Karte. Die Lösung lag klar vor seinen Augen. Die Lösung hieß Brannock Tra ding Post. Der Fluss war die Lösung. Und dennoch – was nützte es?
    Er konnte Derek doch nicht allein lassen.
    Nein, er durfte ihn nicht allein lassen.
    Aber wie, wenn er Derek mitnahm?
    Laut sagte er: »Was hältst du davon, wenn wir zusam men aufbrechen?«
    Auf den ersten Blick schien es unmöglich. Es war ver rückt. Einen Mann, der im Koma lag, hundert Meilen weit an einem Fluss entlang durch die Wildnis der Wäl der zu transportieren. Es war leichter gesagt als getan, fand Brian.
    Wie konnte er es tun?
    Ja, der Fluss. Wenn er ein Boot hätte – oder ein Floß?
    Wenn er ein Floß bauen und Derek auf das Floß legen könnte, dann gab es vielleicht eine Möglichkeit, mit ihm zusammen den Handelsposten zu erreichen, wo es vielleicht Hilfe gab.
    Dennoch, es war verrückt. Eine Floßfahrt von hundert Meilen auf einem Wildwasserfluss, mit einem bewusstlo sen Mann, das war unmöglich.
    Beinah wollte er seinen Plan aufgeben. Dann aber hob er den Blick von der Landkarte und sah die Wahrheit: Er sah Derek bewusstlos liegen, die Augen halb offen, ins Leere blickend, scheinbar wach, aber nicht lebendig. Und die Minuten seines Lebens verstrichen. Brian hatte keine andere Wahl, das wusste er.
    Wenn sie hier blieben, am See, würde Derek in zwei bis drei Tagen verdursten. Er würde sterben, lange bevor eine Woche oder zehn Tage um waren. Bevor der Pilot kam, um nach ihnen zu suchen.
    Wenn er blieb, musste Derek sterben.
    Wenn er es schaffte, wenn er Derek auf einem Floß zum Handelsposten bringen konnte, dann gab es wenig stens eine Chance.
    Er hatte keine andere Wahl.

15
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    Jetzt zählte nur noch die Zeit. War die Entscheidung ein mal gefallen, dann war Zeit ein lebenswichtiger Faktor. Trotzdem studierte Brian noch einmal die

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