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Der Fluss

Der Fluss

Titel: Der Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Paulsen
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ein paar Kilo abnehmen, aber er würde in dieser Zeit nicht verhungern.
    Brian wusste aber auch, dass Derek nicht so lange aushalten konnte, ohne etwas zu trinken. Zwei bis drei Tage ohne Wasser, vielleicht sogar vier – dann aber würde sein Zustand kritisch werden. Irgendwo hatte er gehört oder gelesen, dass der menschliche Körper nicht so lange ohne Wasser bleiben konnte.
    Ein Tag war schon vergangen, und dies war der zweite.
    Er musste versuchen, Derek zum Trinken zu bringen. Wenn er ihm Wasser einflößen konnte, würde er durch halten. Dereks Atmung hatte sich noch mehr stabilisiert, und sein Herzschlag war beinah normal. Irgendwann hatte Brian genügend Konzentration aufgebracht, um mit der Uhr seinen Puls zu berechnen: fünfundsechzig Schläge in der Minute. Der Durchschnittswert – so erin nerte er sich – lag irgendwo bei zweiundsiebzig. Dereks Puls ging zwar etwas langsam, aber sein Herz schien in Ordnung.
    Brian bastelte eine löffelförmige Kelle aus Birken rinde, schöpfte Wasser aus dem Becher, der neben De reks Bett stand, und ließ ein paar Tropfen über die Lip pen des bewusstlosen Mannes rinnen.
    Die Wirkung trat sofort ein – wie eine Explosion.
    »Hhh-rrr-ssst!«
    Derek verschluckte sich und alles andere war ein Re flex: Er würgte und hustete und spuckte Wasser. Das Husten und Würgen schien gar nicht mehr aufzuhören und Brian geriet in Panik. Verzweifelt rollte er Derek auf den Bauch, drückte seinen Kopf nach unten und klopfte ihm kräftig den Rücken.
    Mehr wusste er nicht zu tun.
    Der Anfall dauerte eine Ewigkeit und Brian fürchtete schon, dass er Derek getötet hatte. Ein einziger Fehler, ein falscher Handgriff und der Mann konnte ersticken.
    Endlich hörte das Husten und Würgen auf. Obwohl Dereks Atem noch immer stoßweise und rasselnd ging.
    »Na, du kannst also nicht trinken«, seufzte Brian. Er bettete Dereks Kopf auf die zusammengerollte Wind jacke. »Das macht die Dinge für uns nicht leichter.«
    Anfangs kam es ihm sonderbar vor, mit Derek zu spre chen, während er doch nicht wusste, ob dieser ihn hörte und verstand. Dann aber fiel ihm ein, dass seine Mutter in der Zeitung mal eine Geschichte gelesen und ihm er zählt hatte – von einem Mädchen, das monatelang im Koma gelegen hatte. Lieber Gott, dachte Brian, bitte lass Derek nicht so lange bewusstlos bleiben! Nachdem die ses Mädchen wieder zu sich gekommen war, so erinnerte sich Brian, hatte sie berichtet, dass sie die anderen Men schen sprechen hörte, solange sie im Koma lag. Sie konnte hören und verstehen – aber nicht antworten. Vielleicht ging es Derek jetzt genauso?
    »Derek?« Er beugte sich über Dereks Gesicht. »Hörst du mich?«
    Es kam kein Zeichen.
    »Kannst du die Augenlider bewegen? Falls du mich hörst, bewege doch wenigstens deine Augenlider.«
    Nichts. Dereks Augen waren halb offen und schwam men in Tränen, die dauernd flossen. Anscheinend ver suchte der Körper auf diese Weise, die Augen vor dem Austrocknen zu bewahren.
    Brian richtete sich auf und schaute zum Himmel hi nauf. Nein, ich schaffe es nicht! dachte er. Ich schaffe es nicht allein. Ich schaff’s einfach nicht …
    Er sah den hilflosen Mann vor sich liegen und schüt telte den Kopf. Ich weiß nicht, was ich tun soll.
    Und dann wurde ihm klar, dass er sich irrte: Er war nicht allein! Es war nicht wie damals, in jener Zeit. Dies mal war Derek bei ihm. Und wenn er mit ihm redete, laut mit ihm sprach – vielleicht würde es helfen.
    »Hör mal, so ist die Lage«, sagte Brian. Er hockte vor Dereks Bett und zeichnete mit einem Stöckchen im Sand. »Es ist ausgeschlossen, dass wir vor Ablauf einer Woche gefunden werden. Vielleicht wird es länger dau ern, bis die Retter kommen – vielleicht zehn Tage. Ich glaube, du kannst nicht … Ich glaube, es wäre nicht gut, wenn du so lange ohne Wasser bliebest. Ich kann dir nicht zu trinken geben, weil ich fürchte, dass du erstickst. So ist es also.«
    Er zuckte die Schultern, seufzte noch einmal: »So ist es«, und zeichnete eine große Null in den Sand.
    Ich weiß nicht, was ich tun soll.
    Verzweifelt warf er den Stock auf die Erde. Und der Stock – mit mehr Wucht, als beabsichtigt – prallte ab und landete auf Dereks Aktenmappe. Brian starrte die Mappe an, als sähe er sie zum ersten Mal. Er hatte sie während der Krise vergessen.
    Die Mappe war nicht abgeschlossen, er konnte sie mit den zwei Schiebern am Handgriff öffnen. Er klappte sie auf und fand Dereks Notizbücher.
    Es waren einfache

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