Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)
irgendwann ein Ganzes ergaben. »Du hast Angst, dass Vater Charmaine entlässt. Richtig?Richtig?«
»Nein, Paulie.«
»O doch, Johnny! Wie lässt sich das besser verhindern, als Charmaine mit mir zu verheiraten? Als Frau des Bruders wäre ihre Position im Haus gefestigt, nicht wahr? Das stimmt doch, verdammt noch mal?« Als John schwieg, fuhr er fort. »Du überraschst mich immer wieder. Mich zu benutzen, um eine solche Ungeheuerlichkeit in die Tat umzusetzen!«
Johns Blick wurde hart. »Du musst gerade den Stab über mich brechen, Paul, ausgerechnet du, der eine Frau nach der anderen verführt, ohne sich jemals Gedanken zu machen.«
»So, so. Aber im Gegensatz zu dir habe ich noch nicht die Frau eines anderen aus Rache verführt!«
John gefror das Blut in den Adern. »So also siehst du das? All diese Jahre … und du glaubst noch immer, dass es wirklich so war? Kein Wunder, dass du dich auf Vaters Seite geschlagen hast.«
Einen Augenblick lang war Paul verunsichert, aber er erholte sich rasch. »Halte mich nicht für einen Idioten, John. Wir wissen doch beide, wie sehr du Vater hasst. Das hast du mehr als deutlich gemacht. Zeige jetzt nicht mit dem Finger auf mich, nur weil ich nicht bei deinen Plänen mitmache. Weißt du, was? Du kannst einem leidtun!«
»Ich tue dir leid?«, wiederholte John empört. »Das sagst ausgerechnet du? Dabei ist niemand bedauernswerter als du. Ja, mein lieber Bruder. Sieh dich doch an, wie du wie ein treues Hündchen an Vaters Tisch sitzt und nur darauf wartest, dass ein Bröckchen für dich abfällt! Wie ein treuer Hund lässt du dich von ihm missbrauchen, ja, du verteidigst ihn sogar, um deine Anhänglichkeit zu beweisen und zu zeigen, wie fleißig und gewissenhaft du arbeitest, damit er deine Mühen eines Tages vielleicht belohnt. O ja, Paul, du kannst es, du arbeitest gründlich und unermüdlich. Aber wohin hat es dich gebracht? John kann seine Pflichten vernachlässigen, kann seinen Vater beleidigen – und doch steht er im Testament an erster Stelle! Und was ist mit dir? Trotz all deiner Mühen, deiner Opfer und deiner Hingabe bist du nicht einmal ein legitimer Sohn! Wenn du mein Sohn wärst, wäre das anders. Nur zu, Paul, mache mich für alles Schlechte in diesem Haus verantwortlich. Lade mir alles auf, damit du der Wahrheit nicht ins Gesicht sehen musst.« John deutete mit dem Finger auf Paul. »Du tust mir leid! Und verdammt sollst du sein, wenn du Charmaine nicht heiratest, solange du noch die Chance dazu hast. Statt der unerwiderten Liebe deines Vaters nachzurennen, solltest du lieber ihre uneigennützige Liebe akzeptieren, die sie dir so freigiebig schenkt. Denke an meine Worte: Eines Tages wirst du bereuen, dass du so blind warst und dein Glück mit beiden Händen weggeworfen hast!«
Erwartungsvoll sah Charmaine zu dem Mann auf, der unruhig vor ihr und den Kindern auf und ab ging. John hatte angekündigt, dass er etwas Wichtiges mitzuteilen hätte, und nun warteten sie, dass er endlich begann. Schließlich blieb er stehen, sah auf die Zwillinge hinunter, die auf ihren Betten saßen und Pierre und Charmaine den Rücken zukehrten.
»Morgen fahre ich wieder nach Hause.« Sein Plauderton wollte nicht so recht zu dem leisen Beben in seiner Stimme passen.
»Du fährst weg?«, riefen die Kinder wie aus einem Mund.
»So ist es. Morgen segle ich mit der Raven zurück nach Virginia. Es wird Zeit, dass ich wieder nach Hause komme und mich um meine Arbeit kümmere.«
»Aber hier ist doch dein Zuhause!«, protestierte Yvette. »Aber nein, Yvette, das war einmal. Wie du weißt, habe ich ein neues Zuhause. Ich habe es schon viel zu lange vernachlässigt.«
»Und jetzt vernachlässigst du uns! Virginia ist dir wichtiger als wir.«
»Du weißt, dass das nicht stimmt«, sagte John weich. »Aber ich habe auch andere Verpflichtungen …«
»Welche denn? Was kann wichtiger sein als deine Familie? Dich um uns zu kümmern?«
»Bevor ich nach Charmantes gekommen bin, ist es dir hier gut gegangen, und das wird genauso weitergehen, wenn ich wieder fort bin.«
»Nein, ganz sicher nicht! Vor zwei Monaten war gar nichts in Ordnung. Erst als du gekommen bist, wurde es besser. Wir waren so unglücklich, aber du hast uns wieder zum Lachen gebracht! Du darfst nicht fortgehen! Das kannst du nicht machen. Ich lasse dich nicht weg!«
»Du machst es mir sehr schwer, Yvette. Ich muss fort, ganz gleich, wie sehr du auch bittest, das steht fest.«
»Aber warum? Warum?«
»Ich muss arbeiten.
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