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Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)

Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)

Titel: Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DeVa Gantt
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ungewohnten Unschuld ihrer Berührungen.
    Der frische Duft der Dämmerung betörte seine Sinne, und eine leichte Brise trieb den schweren Duft der Lilien aus dem Raum. Er küsste ihr Kinn, und sein Mund legte sich auf ihre leicht geöffneten Lippen. Ihre Unschuld befeuerte seine Sinne, und er nahm sie wieder und hielt den Atem an, als er den Kopf hob und sie ansah.
    »Charmaine …«, flüsterte er heiser und völlig verwirrt. Ihre Arme lösten sich von ihm, und obgleich er sie fester an sich zog, verschmolz sie mit den Laken, und er erwachte.
    »Verdammt!« Er setzte sich auf und barg sein Gesicht in den Händen. Sein Kopf schmerzte, und seine Augen brannten wie glühende Kohlen. »Verdammt!« Von wem hatte er geträumt … von Colette oder von Charmaine?
    Unentschlossen stand Paul im leeren Korridor. Er hatte schon mehrmals die Hand gehoben, um an die Tür zum Gästezimmer zu klopfen, doch jedes Mal hatte er sie wieder sinken lassen. Vermutlich schläft sie. Dann sollte ich sie nicht stören. Aber vielleicht ist sie ja wach und braucht eine Schulter, um sich auszuweinen ?
    Er wollte für Charmaine da sein, wollte sie trösten. Gestern Nacht wollte er sie schon in den Arm nehmen, aber Rose hatte ihn davon abgehalten.
    Ein paar Stunden später, er erinnerte sich, hatte Charmaine aufrecht und mit trockenen Augen hinter seinem Bruder gestanden. Nach ihrem ersten Ausbruch beim Tod des Kleinen griff ihm jetzt ihre Stärke ans Herz. Er wusste, dass sie die Kraft nur für John aufbrachte, damit er in das Zimmer zurückkehren und von seinem Sohn Abschied nehmen konnte. Aber wer war für sie da? Mit neuer Entschiedenheit öffnete er die Tür und betrat das Zimmer.
    Agath a saß am Frisiertisch und betrachtete ihr Spiegelbild. Trotz ihres Alters war sie noch immer hübsch. Lächelnd sah sie, wie ihr Hals von dem breiten Kragen des schlichten schwarzen Kleides eingerahmt wurde. Etwas zu schlicht, entschied sie und öffnete die Schatulle, um eines der wenigen verbliebenen Schmuckstücke auszuwählen. Mit Colettes und Elizabeths Schmuck hatte sie den Erpresser bezahlt und nur ab und zu ihren Unterhalt angreifen müssen. Dadurch war das Vermögen, das sie von ihrem verstorbenen Mann geerbt hatte, noch immer unberührt. Eine kluge Entscheidung! Sie runzelte die Stirn. Wohl oder übel musste sie sich mit dem Verlust eines Teils ihres hart erarbeiteten Vermögens abfinden. Für sie war das eine Investition, und heute sollte sie sich auszahlen. Das alles wird bald hinter dir liegen, meine Liebe . Sie steckte eine mit Diamanten besetzte Brosche an ihr Trauerkleid und strich einige feine Härchen von den Schläfen zurück. Zuletzt versteckte sie ihre Zufriedenheit hinter einer Maske aus Zerknirschung und nahm ihre nächste vielversprechende Rolle in Angriff.
    Charmaine regte sich und drehte sich auf ihren schmerzenden Rücken. Weil sie so lange geweint hatte, tat ihr sogar das Atmen weh. Außerdem hatte sie Kopfschmerzen. Trotzdem lächelte sie, als sie die Augen aufschlug. Sie hatte geträumt, aber zum Glück war es nur ein schrecklicher Albtraum gewesen.
    Sie starrte zur Decke empor und wandte dann den Kopf zur Seite. Dies ist nicht mein Zimmer . Verunsichert zog sie die Decke bis ans Kinn. Kein Traum. Guter Gott … es war kein Traum! Vor dem gewaltigen Schmerz schloss sie die Augen, doch Sekunden später riss sie sie wieder auf und nahm den Mann wahr, der am anderen Ende des Raums auf einem Sessel saß und schlief. Paul .
    Sie drehte das Gesicht zur Seite und stöhnte in ihr Kissen. Schreckliche, untilgbare Bilder bedrängten sie. Das Sterbezimmer, Pierre, die Kapelle, John … keines ließ sich vergessen. Und doch musste sie es versuchen, wenn sie den Tag überstehen wollte.
    Ganz langsam überwand sie ihre Angst und zwang sich zum Aufstehen. Sie ging zu dem schlafenden Mann hinüber und kniete geräuschlos neben dem Sessel nieder. Sie legte ihm die kühle Hand auf die Stirn, die er im Schlaf gerunzelt hatte, und strich ihm eine Locke aus der Stirn. Paul rührte sich nicht und atmete tief und ruhig weiter. Im ersten Licht der Morgendämmerung betrachtete sie seine jungenhaften Züge und die dunklen Wimpern. Sie tätschelte seinen Arm und dankte ihm flüsternd für seine schützende Gegenwart. Dann zog sie sich zurück, um sich anzukleiden.
    »Hast du mich gehört?«
    »Ja, Agatha, ich habe dich gehört.« Frederic stand an den Verandatüren und wandte seiner Frau nur leicht den Kopf zu. Das erste Morgenlicht beleuchtete sein

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