Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)
meinst, dass ich John hasse? Das stimmt. Und zwar für alle Nöte, in die er dich gestürzt hat. Aber das gleicht sich aus, denn er hasst mich genauso. Und warum? Weil ich ihn durchschaue!
Denk, was du willst, Frederic. Glaube ruhig, dass er dein Sohn ist, aber wenn er dir ein Messer in den Rücken sticht, dann beklage dich nicht! Denk an Colette und wie er sich den Weg in ihr Bett erschlichen hat. Ihn hält nichts auf. Nichts , hörst du? Beschütze ihn nur weiter und binde ihn mit der Erbschaft an dich, aber beklage dich nicht, wenn er deine Familie zerstört. Dir wird nichts bleiben. Und John? Er wird alles haben … das triumphierende Grinsen und dein Vermögen … einfach alles. Denke daran, dass ich dich gewarnt habe.«
Frederic räusperte sich, um den Kloß in seiner Kehle zu beseitigen, und drehte sich wieder zu den Verandatüren um. »Schick bitte Miss Ryan zu mir, sobald sie wach ist«, sagte er, als Agatha gehen wollte.
Sie war erstaunt. Und neugierig. Vielleicht konnte er wenigstens heute eine Sache richtig machen. Eine Sache, die alle freute, sogar seine Frau. Dazu musste er jedoch wissen, ob die Gouvernante gewillt war, zusammen mit seinen Töchtern für einen Besuch nach Richmond zu reisen.
Agatha lehnte sich gegen die Tür und seufzte erleichtert. Das Gespräch war nicht ganz so wie geplant verlaufen, doch ein Fenster der Hoffnung stand noch offen. Frederic wollte mit der Gouvernante sprechen. Das war ihre Gelegenheit.
Denke nach und lass dir Zeit!
Sie kehrte über den Korridor in ihre Räume zurück. Es war noch früh, und sie hatte noch genügend Zeit, um einen Plan zu schmieden. Während ich die Einzelheiten überlege, wird Frederic über meine Argumente nachdenken .
Ein heimtückisches Lächeln spielte um ihre Lippen. Auch wenn sich ihr Mann nach Frieden mit seinem Sohn sehnte, so war doch dessen schlechter Charakter eine Tatsache. Wenn John seinen Vater reizte, würde dessen hitziges Temperament den Rest erledigen.
Roberts Verdacht hatte sich also bestätigt: Colette war ein Flittchen gewesen. Agatha war entzückt. Am Morgen nach Johns Ankunft hatte sie versucht, diesen Verdacht ihres Bruders zu beweisen, indem sie heimlich in Johns Zimmer geschlichen war und in seinen Schubladen gekramt hatte. Dabei hatte sie Colettes Brief gefunden, über den das gesamte Haus redete. Aber leider war die lästige Gouvernante genau in diesem Moment ins Zimmer gekommen, sodass sie gerade noch über die Veranda flüchten konnte. Als sie ihr Abenteuer einige Tage später wiederholte, war der Brief jedoch verschwunden. Über die Wochen hatte sie sich die Geschichte zusammengereimt … und heute nun hatte sich der Verdacht endlich bestätigt.
Fürwahr, John hatte Grund genug, seinen Vater zu hassen. Sie musste nur den Kessel ihrer Feindschaft schüren, damit er im entscheidenden Moment überkochte. O ja, lieber Neffe, noch heute lege ich die Schlinge aus, in der du dich verfangen wirst! Die Bühne war vorbereitet, nun musste sie noch die Akteure arrangieren und das Stichwort geben. Dann konnte sie sich zurücklehnen und das Schauspiel genießen.
Frederic sank schwer in seinen Sessel. O Gott, Elizabeth, was habe ich getan!
Die Jahre lösten sich in nichts auf. Elizabeth stand wieder vor ihm und bebte vor Angst davor, dass sie die Koffer packen müsse. Aber genau das war sein Ziel. Nach einiger Überlegung war er zu der Meinung gelangt, dass sie in England am besten aufgehoben war. Aber hier stand sie und bot sich ihm an, damit er sie bleiben ließ. Seine jämmerliche Ausflucht, dass sie zu jung sei, überlebte die Nacht nicht. Sie schenkte ihm alles, sogar ihr Herz, und erwartete nichts dafür außer Geborgenheit in seinen Armen und ein Heim auf Charmantes.
Selbst am nächsten Tag ahnte sie noch nicht, welchen Eindruck sie auf ihn gemacht hatte. Ihre Augen schwammen in Tränen, als er verlangte, dass sie die nächtliche Episode vergaß. Im Grunde hätte er dankbar sein müssen, dass sie befürchtete, ihm nichts zu bedeuteten. Schließlich brachte er sie zu ihrer Familie zurück. Er hatte andere Pläne, die sie nicht einschlossen, und musste ein Versprechen halten.
Aber das Schicksal wollte es anders. Während der Reise wuchs seine Zuneigung von Tag zu Tag, und statt Elizabeth aus dem Weg zu gehen, suchte er ihre Gesellschaft. Als sie England erreichten, hielt sie sein Herz in ihren Händen. Er liebte sie.
Wenn er gewusst hätte, was sie erwartete, hätte er das Mädchen auf der Stelle nach Charmantes
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