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Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)

Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)

Titel: Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DeVa Gantt
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zurückgebracht und sich dort mit ihr versteckt. Aber sich vor ihrer Familie zu verstecken, das war keine Lösung. Außerdem wollte er Elizabeth heiraten und brauchte einen Priester. Sie wählten also den ehrbaren Weg, doch bevor die Gelübde gesprochen waren, wurde ihre Zukunft unwiderruflich beschmutzt.
    In den letzten Januartagen wurde Elizabeth das Opfer einer Entführung und von den Banditen brutal vergewaltigt. Eine ganze Woche war sie wie vom Erdboden verschwunden. Wie ein Verrückter hatte er die Umgebung abgesucht und sogar gebetet. Und genauso hatte er den Engeln gedankt, als sie ihm wie durch ein Wunder wieder geschenkt wurde. Was die Kerle ihr angetan hatten, war für ihn ohne Bedeutung, solange sie nur am Leben war.
    Viele Wochen lang war Elizabeth sehr verzagt, sodass man die Hochzeit hinausschob. Frederic wich ihr nicht von der Seite, bis sie sich ganz langsam erholte. Währenddessen änderte sich auch die Meinung der widerspenstigen Eltern. Wenn Frederic ihre Tochter heiratete und mit nach Charmantes nahm, würde die Schande der Vergewaltigung bald vergessen sein. Ende März wurden die beiden endlich getraut und kehrten nach Charmantes zurück.
    Anfang April teilte Elizabeth ihrem Mann mit, dass sie ein Kind erwartete. Eigentlich hätte Frederic überglücklich sein müssen, doch ihr sorgenvoller Blick bestätigte seine Befürchtungen: Das Kind war womöglich nicht von ihm. Kurz nach Mitternacht am 29. September 1808, acht Monate nach der Entführung, wurde John geboren. Seine Eltern waren gerade einmal sechs Monate verheiratet, und dennoch war er nach den gesellschaftlichen Regeln ein eheliches Kind.
    Obwohl das Baby nicht groß war, war die Geburt lange und schwer, und die Blutungen waren kaum zu stillen. Das Kind hatte seiner Mutter letztlich das Leben gestohlen. Als Frederic in die verschwitzten Laken weinte, fühlte er Elizabeths Hand in seinem Haar und hörte ihre kraftlose Stimme, ihren letzten Wunsch, den Jungen nach ihrem verstorbenen Bruder John zu nennen. Dann verließ sie ihn, ließ ihn mit dem Wunder, einen Sohn bekommen zu haben, allein und in tiefster Verzweiflung zurück.
    Anschließend richtete sich seine ganze Wut auf Robert Blackford, indem er ihn für Elizabeths Tod verantwortlich machte. Der Mann bebte vor Angst, bis Rose mit dem Kind zwischen die beiden trat und Robert bat, die Gesundheit des Babys zu überprüfen. Ein paar Minuten später schnalzte der Arzt leise mit der Zunge. »Mit Sicherheit ist der Junge keine neun Monate lang getragen worden. Zu denken, dass sie Elizabeth doch noch getötet haben …«
    »Wer? Wer hat sie getötet?«
    »Die Banditen. Es tut mir leid, Frederic, aber der Junge ist viel zu klein, um dein Sohn …«
    Es verging mehr als eine Woche, bis Frederic das Kind überhaupt ansah und sich dann angeekelt abwandte. Wenn du nicht zur Hälfte von Elizabeth wärst, würde ich dich den Hunden vorwerfen . Sein Hass stieß ihn ab, und doch konnte er ihn nicht beherrschen, und er wies den Jungen zurück.
    Pauls Gegenwart machte die Sache nur schlimmer. Bei ihm wusste Frederic, dass er der Vater war. Manchmal hielt er den Jungen sogar für Elizabeths Sohn und erinnerte sich gern an die Momente, als sie den kleinen Kerl in den Wochen vor ihrem Tod bemuttert hatte. Paul war ein glückliches Kind, das zu einem wunderbaren Mann heranwuchs. John dagegen war eher widerborstig und führte alle Welt gar zu gern an der Nase herum. Wenn Frederic ehrlich war, so hatte es durchaus Augenblicke gegeben, in denen er sich John plötzlich sehr nahe gefühlt hatte und auch sehr zerknirscht gewesen war. Doch seine Bitterkeit hatte die schwache Flamme regelmäßig ausgelöscht. Wenn John nicht gewesen wäre, wäre Elizabeth noch am Leben.
    So vergingen die Jahre, und irgendwann war John ein junger Mann. »Ein so gut aussehender Junge!«, lobte ihn Frederics ältere Schwester Eleanor, die normalerweise in den Staaten lebte und zu Besuch nach Charmantes gekommen war. »Er sieht genau aus wie du in diesem Alter, Frederic … ganz genau wie du …«
    Ja, Frederic war blind gewesen, aber der Schaden war geschehen, und John hasste seinen Vater bitterlich.
    Unsicher sah Joseph zu John empor und betete, dass Yvettes Bemerkung über ihren Bruder richtig war. »Er spielt nur Theater, um die Leute zittern zu lassen. In Wahrheit ist er ein Feigling. Das hat er selbst gesagt.«
    Theater oder nicht, jedenfalls blickte Master John mit finsterer Miene auf Joseph hinunter und schien gar nicht bemerkt

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