Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)
nach.
Yvette drohte Pierre mit dem Finger. »Du hättest dich lieber entschuldigen sollen, solange noch Zeit war. Jetzt ist es zu spät.« Sie grinste, als ob sie sich bereits an seinen Qualen weidete. »Wie willst du ihn bestrafen?«
»Wie üblich.«
Charmaine begann zu zittern, als John sich zu Pierre hinunterbeugte, und sie war entsetzt, als Pierre lachend seine Hand beiseiteschlug.
»Du … suchst also Streit!«, stellte John finster fest und packte sein Opfer. Eine leichte Beute.
» Nein! «
Charmaines Aufschrei wurde von Johns »Habe ich dich endlich!« übertönt.
Er setzte sich auf die Decke, klemmte sich den Jungen zwischen die Beine und kitzelte ihn, bis sich der kleine Körper wand und drehte und sich Pierres Lachen zu schrillem Quietschen steigerte. Kaum dass er eine Stelle seines Körpers schützte, entblößte er eine andere. »Hör auf!« und »Mehr!« schrie der Kleine abwechselnd, bis er völlig außer Atem war. Endlich gelang es ihm, sich unter den Beinen herauszuwinden und in Sicherheit zu bringen. Aber John war viel zu erschöpft, um ihm zu folgen.
»Ich will auch bestraft werden!«, rief Jeannette.
»Ich bestrafe nur, wer Miss Ryan beleidigt hat.«
»Dann müssen wir Johnny kitzeln! Er beleidigt Miss Ryan ja andauernd«, schlug Yvette vor.
Schon fielen die beiden Mädchen über Johnny her, doch der wehrte sich tapfer, indem er die beiden Quälgeister abwechselnd kitzelte. Als Pierre sich wieder ins Getümmel stürzen wollte, konnte er keine Lücke entdecken. Also griff er sich zwei Hände voll Sand und streute sie John von hinten auf den Kopf. Als er die nächste Ladung holen wollte, sprang John auf. »Guter Gott im Himmel!« Er fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. »Mein Kopf fühlt sich ja an wie ein Ameisenhaufen.«
Charmaine musste lachen.
John fuhr herum. »Und Sie finden das wohl lustig?«
»Als ich die Krabbe im Haar hatte, haben Sie auch gelacht.«
»Das stimmt, aber ich habe immerhin versucht, dass er sich bei Ihnen entschuldigt. Welche Ausrede haben Sie, dass Sie nicht eingegriffen haben?«
Sie lächelte schelmisch. »Keine. Ich denke, dass Sie genau das bekommen haben, was Sie verdienen.«
»Eine größere Beleidigung habe ich noch nie gehört. Was meint ihr, Kinder? Ich finde, dass Miss Ryan auch eine Strafe verdient hat.«
»O nein!«, protestierte Yvette. »Das macht dir doch nur Spaß!«
Charmaine errötete, was zum Glück niemand bemerkte, da John seine Schwester erstaunt ansah. »Es macht mir Spaß? Woher weißt du das?«
»Aus Erfahrung.«
John war sprachlos. »Erfahrung? Mit wem? Etwa Jo seph?«
»Nein, nicht mit Joseph. Ich habe doch Augen und Ohren, und ich weiß genau, wann was passiert.«
»Hast du wirklich etwas gesehen oder gehört?«
»Ja.«
»Und wann?«
»Als wir allein in unserem Zimmer waren. Ungefähr vor einem Jahr. In der Woche, bevor Mademoiselle Charmaine zu uns kam.«
»Und was genau ist damals passiert?«
»Mama hatte uns gerade verlassen. Sie hatte wieder eine Verabredung mit Dr. Blackford. Er kam damals zu uns ins Haus … mindestens ein Mal in der Woche. Wenn er ging, fühlte Mama sich immer schlechter. Angeblich half seine Medizin, aber ich glaubte das nicht. Ich wusste, dass Mama uns nicht die Wahrheit sagte. Also wollte ich es genau wissen. Jeannette sollte allen sagen, dass ich auf der Toilette sei. In der Zeit bin in die Küche gerannt und habe ein Glas aus dem Schrank geholt, mit dem man gut lauschen konnte. Dann habe ich …«
»Was redest du da?«, fiel John ihr ins Wort.
»Lass mich doch ausreden!«, schimpfte sie. »Im Korridor war das Lauschen zu gefährlich, weil Auntie Agatha überall herumschnüffelte. Ich suchte mir also Pauls Schlafzimmer aus, weil es genau an Mamas Ankleidezimmer grenzt. Außerdem kommt er immer erst am Nachmittag nach Hause. Aber das war ein Irrtum. Paul war in seinem Zimmer, und Felicia war bei ihm! Nur im Hemd! Ich war so überrascht, dass ich einfach dastand und zugeschaut habe. Felicia hat gelacht, weil Paul sie überall gekitzelt hat. Und dann hat er sie umarmt und wie ein Vampir in den Hals gebissen.«
Charmaine war entsetzt und ahnte dunkel, dass John sich an ihren brennenden Wangen weidete.
»Oh, das war abscheulich!«, fuhr Yvette fort. »Und das habe ich auch gesagt. Besser hätte ich mich davonschleichen oder mich verstecken und von dort zusehen sollen. Aber das ist mir erst später eingefallen.«
John lachte laut, als er sich das entsetzte Gesicht seines Bruders ausmalte,
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